Gestern wurde in einer feierlichen Zeremonie am Gelände des LKH-Universitätsklinikums Graz mit der Verlegung von 39 Stolpersteinen an jene jüdischen Medizinstudierenden erinnert, die 1938 von den Nationalsozialist*innen von der damaligen medizinischen Fakultät der Universität Graz vertrieben wurden. Diese jungen Menschen, die durch ihre akademischen Leistungen und ihre Hingabe an den medizinischen Beruf eine vielversprechende Zukunft vor sich hatten, wurden vom NS-Regime ihrer Chancen beraubt und der Universität verwiesen.
Gegen das Vergessen: Mahnmal für das tragische Schicksal vertriebener Medizinstudierender
Im Rahmen der Verlegungszeremonie wurden zahlreiche persönliche Schicksale und tragische Geschichten in Erinnerung gerufen. So wurde unter anderem Viktor Loewis gedacht. Er war einer der 39 betroffenen Medizinstudierenden und Sohn des Nobelpreisträgers Otto Loewi, nach dem das Otto-Loewi-Forschungszentrum der Med Uni Graz benannt ist. Viktor Loewi konnte sein Medizinstudium zwar noch abschließen, musste jedoch eine Verzichtsleistung zur Ausübung des Berufs versprechen. Sein Vater Otto Loewi, der 1936 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde und als einer der bedeutendsten Neurophysiologen seiner Zeit gilt, konnte trotz seiner herausragenden wissenschaftlichen Leistungen seine Familie nicht vor den grausamen Repressionen der Nationalsozialist*innen schützen, denen alle jüdischen Familien ausgesetzt waren.
Bei der Zeremonie anwesend waren auch Angehörige der Familien Singer und Röhr, im Gedenken an die vertriebenen Studierenden Gustav und Grete Singer sowie Fritz Röhr, deren Biografien, begleitet von persönlichen Worten der Familie, im Rahmen der Zeremonie verlesen wurden.
Die Verlegung dieser Stolpersteine, organisiert vom Verein für Gedenkkultur in Graz, steht als Mahnmal für die schrecklichen Verbrechen, die in der Zeit des Nationalsozialismus an der jüdischen Gemeinschaft und vielen anderen Verfolgten verübt wurden. Die Stolpersteine dienen der Erinnerung an die Vertriebenen und Ermordeten und sollen die Geschichten der Opfer wieder in das kollektive Bewusstsein rücken.
Stolpersteine: eine Erinnerung im öffentlichen Raum
Die Stolpersteine sind Teil eines europaweiten Projekts, das die persönlichen Schicksale derjenigen würdigt, die im Nationalsozialismus verfolgt, deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden. Die Gedenktafeln im Boden erinnern an all jene, die durch das nationalsozialistische Regime ihrer Rechte beraubt und brutal aus ihrem Leben gerissen wurden.
Diese Verlegung ehrt die Erinnerung an die 39 jüdischen Medizinstudierenden der Universität Graz, die ihre Studienplätze, ihre Heimat und oftmals auch ihr Leben aufgeben mussten, weil sie als Jüdinnen*Juden von den Nationalsozialist*innen als „unerwünscht“ deklariert wurden. Von vielen von ihnen wurden die Träume, als Ärzt*innen Leben zu retten und zur Gesellschaft beizutragen, durch den Antisemitismus des Dritten Reichs nachhaltig zerstört. Einige Studierende konnten jedoch als Geflüchtete vielen Widerständen zum Trotz an ihre Ausbildung anknüpfen und etablierten sich zum Teil als renommierte Vertreter*innen ihres Fachs in ihren neuen Heimatländern, darunter Hans Herlinger, Izrael Hochmann, Otto Pollak, Hans Rottenstein oder Gustav Singer. Grete Singer wurde Militärsanitäterin in der tschechoslowakischen Armee, Lisbeth Hochsinger wurde als „Lisbeth Hockey“ Pionierin der Pflegewissenschaften in England.
„Mit diesem Akt der Erinnerung setzen die Med Uni Graz, das LKH-Universitätsklinikum Graz und der Verein für Gedenkkultur in Graz ein klares Zeichen gegen das Vergessen und für eine Zukunft, die auf Respekt, Toleranz und Menschlichkeit basiert“, so die Rektorin der Med Uni Graz Andrea Kurz.
Weitere Informationen und Kontakt:
Verein für Gedenkkultur in Graz
https://www.stolpersteine-graz.at/verein/
Fotos: Monika Wittmann