Ziemlich genau einen Monat ist es her, dass Rektorin Andrea Kurz das Zepter von Hellmut Samonigg übernommen hat. Der GRAZER hat sich in Form eines Sonntagsfrühstücks mit der gebürtigen Wienerin unter anderem über ihre ersten Eindrücke als Rektorin, die Studentenstadt Graz und die Situation im Gesundheitsbereich unterhalten.
Sie sind seit knapp einem Monat als neue Rektorin der Med Uni Graz im Amt, bleibt da überhaupt Zeit für ein ausgiebiges Sonntagsfrühstück?
Manchmal muss man sich einfach die Zeit nehmen. Das ist etwas, was ich aber selbst auch erst lernen musste. Da ich fast nie frühstücke (außer Kaffee) gibt es das nicht sehr oft. Mit der Einschränkung, dass es meinem Mann hin und wieder gelingt, mich zu einem von ihm zubereiteten größeren Frühstück zu überreden.
Was frühstücken Sie normalerweise? Also durchaus auch unter der Woche?
Mein Tag beginnt um etwa 04.30 Uhr mit einem Kaffee zu Hause. Mein Arbeitstag beginnt üblicherweise um etwa 06.30 Uhr mit einem Kaffee im Büro. Ich nutze die Ruhe am Morgen gerne, um mich auf den Tag vorzubereiten und die anstehenden Agenden durchzuplanen, bevor spätestens um 08.00 Uhr der erste Termin des Tages beginnt. Ein Frühstück gibt es unter der Woche im Regelfall nicht, da muss eine Handvoll Nüsse zwischen zwei Terminen meistens reichen.
Sie sind geborene Wienerin und haben dort studiert, wie gefällt es Ihnen in Graz, das ja als Studentenstadt einen guten Ruf genießt?
Seit ich vor einigen Jahren an der Med Uni Graz die Leitung einer Forschungseinheit auf der Anästhesie mit einem jungen, hochmotivierten Team übernommen habe, konnte ich regelmäßig das Flair von Graz genießen. Es sind nicht nur die Studierenden, die Graz jung und lebenswert machen. Daher habe ich mich sehr gefreut, dass meine Rückkehr nach Österreich mit dem Umzug nach Graz zusammengefallen ist. Ich freue mich schon darauf in Kürze mit meinem Mann, meinen beiden Töchtern und unserem Hund „Bear“ Graz und das Umland näher zu erkunden.
Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit um abzuschalten?
Da kann ich Ihnen vermutlich nichts völlig Überraschendes oder Unerwartbares erzählen. Ich verbringe möglichst viel Zeit mit meiner Familie, jetzt meist noch in Niederösterreich bei meiner Mutter und Schwester und freue mich schon sehr darauf, wenn mein Mann demnächst nach Graz siedelt. Eine meiner beiden Töchter lebt ja bereits in Österreich. Wenn es die Zeit erlaubt besuche ich gerne Konzerte oder gehe in die Oper. Hier bietet Graz ein abwechslungsreiches Programm.
Wie sieht der Sonntag einer Uni-Rektorin aus?
Ich starte den Tag eher zeitig mit einer halben Stunde Pilates und danach gehe etwa 8 km, sodass ich wieder zu Hause bin, wenn mein Mann aufsteht. Allgemein verbringen wir den Sonntag sehr ruhig.
Wie haben Sie sich in den ersten Tagen im Amt eingelebt? Gibt es Überraschungen oder haben Sie den Job so erwartet, wie er sich Ihnen präsentiert?
Ohne Überraschungen wäre das Leben sehr eintönig. Daher bin ich ehrlich gesagt froh darüber, dass man sich nicht alles im Vorhinein bis ins letzte Detail vorstellen kann. Was ich sagen kann ist, dass ich von allen Seiten in meiner neuen Funktion sehr gut aufgenommen wurde und ein hochmotiviertes Team um mich habe, mit dem ich mich nun in die bevorstehenden Agenden einarbeite.
Die Med Uni Graz ist als eigenständige Institution eine sehr junge Universität, wie stolz sind Sie als erste Frau dieser vorzustehen?
Ich denke nicht, dass Stolz hier das richtige Wort für mich ist. Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Chance erhalten habe, an dieser jungen dynamischen Universität meine Ideen einbringen zu können und an deren Weiterentwicklung mitarbeiten zu können. Das ist eine Aufgabe, auf die ich mich sehr freue. Es war bereits bei meinem ersten Auslandsaufenthalt (vor etwa 30 Jahren) mein Ziel, dass ich die dort gesammelten Erfahrungen einmal nach Österreich zurückbringen werde.
Wie planen Sie den heurigen 20-jährigen Geburtstag der Med Uni zu feiern?
Eine Festveranstaltung mit Wegbereiter*innen und Wegbegleiter*innen hat bereits unter meinem Vorgänger Hellmut Samonigg stattgefunden. Was ich mit meinem Team plane, sind Initiativen und Angebote, um eine bessere und vor allem positiver behaftete Wahrnehmung der medizinischen Forschung bzw. Forschung im Allgemeinen in der Gesellschaft zu erreichen. Zur Langen Nacht der Forschung am 24. Mai wird es hier einen breiten Einblick in unsere Forschungsaktivitäten geben und gleichzeitig ein Kick-off für Folgeveranstaltungen.
Welche Schwerpunkte wollen Sie, zusammen mit ihrem Team, während ihrer Zeit als Rektorin setzen?
Die Personalentwicklung ist für mein Team und mich ein ganz wichtiges Thema. Es sind die Mitarbeiter*innen aller Berufsgruppen, die unsere Universität lebendig machen und die große Innovationskraft erst ermöglichen. Was ich anstrebe, ist echte akademische Freiheit, was sehr gut zum Leitmotiv der Med Uni Graz „Pioneering Minds“ passt. Flache hierarchische Strukturen und der Mut, auch einmal unkonventionelle Wege zu gehen, sind für mich eine Selbstverständlichkeit. Die Förderung von Wissenschafterinnen ist mir dabei ein besonderes Anliegen. Bessere Vernetzungsmöglichkeiten, Mentorinprogramme und eine Begleitung beim Wiedereinstieg nach Mutterschutz und Karenz sind Themen, die ich mit meinem Team umsetzen möchte.
Der Gesundheitsbereich ist seit der Pandemie ständig im Fokus und es zeigen sich Probleme die durch Corona verstärkt wurden, wie kann die Med Uni als Ausbildungsstätte zukünftiger Ärzte und Pfleger helfen hier Abhilfe zu schaffen (Stichwort Ärztemangel, Termine bei Fachärzten, Pflegenotstand)
Wovon ich wegkommen möchte ist die Diskussion um einen angeblichen Mangel an Ärzt*innen, da wir an unseren Universitäten genügend Ärzt*innen ausbilden. Wir stehen hier vor allem vor einem Verteilungsproblem und schaffen es nicht, dass die jungen Kolleg*innen dort ankommen, wo sie für die Versorgung gebraucht werden. Ebenso müssen wir über eine Zentralisierung unserer Ressourcen sprechen und Personal effizient umverteilen. Hier bin ich gerne bereit an Lösungsansätzen mitzuarbeiten, umgesetzt werden kann das dann aber nur auf politischer Ebene.
Sie haben längere Zeit in den USA verbracht, wie sehen Sie das dortige Gesundheitssystem im Vergleich zu dem in Österreich? Viele befürchten ja, dass zukünftig immer öfter die Kreditkarte und nicht die eCard über gute Leistungen entscheiden wird.
Was wir als positives Beispiel aus den USA lernen können, ist die Zugangsweise, wie man auf Rahmenbedingungen reagiert. Hier steht oftmals nicht im Vordergrund, wie man mehr Ressourcen erschließen könnte, sondern wie man die vorhandenen Ressourcen optimal nutzen kann. Daher wären optimierende Eingriffe in bestehende Prozesse und Zentrumsbildung in der Patient*innenversorgung für mich zu diskutierende Ansätze. Was wir von den USA keinesfalls übernehmen sollten ist, was Sie in Ihrer Frage beschreiben. Allerdings sind Kostenbewusstsein und Effizienz in der Versorgung sehr wichtig, wobei exzellente Patient*innenversorgung immer unser oberstes Ziel bleiben muss.
Stichwort Internationalisierung, wie sehen Sie die Med Uni Graz international aufgestellt und könnte man da noch mehr tun?
In unseren Forschungsfeldern Krebsforschung, Neurowissenschaften, Mikrobiom & Infektion und Stoffwechsel & Kreislauf ist die internationale Wahrnehmung durchaus gegeben, aber sicherlich noch ausbaubar. Mein Ziel ist es, durch nationale und auch internationale Kooperationen mit wissenschaftlichen Institutionen, der Industrie und dem Engagement in internationalen Konsortien globale Forschungsinitiativen aktiv mitzugestalten. Graz ist ein toller Wissenschaftsstandort, auf den wir international ruhig Stolz sein dürfen.
Wie soll die Med Uni Graz nach ihrem Rektorat aussehen, womit wären Sie zufrieden?
Ich wünsche mir die Med Uni Graz als national und international exzellent vernetztes spitzenmedizinisches Zentrum, wo akademische Freiheit gelebt wird, Studierende zu kritisch denkenden Mediziner*innen ausgebildet werden, das Personal die Möglichkeit hat, auch einmal ohne Vorbehalte in Interaktion gehen kann und die Gesellschaft stolz darauf ist, was sich hier an Innovationskraft bündelt. Ich bin zuversichtlich, dass hier am Standort noch sehr viel möglich ist, da wir nicht nur infrastrukturell, sondern vor allem auch personell bereits einen hohen Standard erreicht haben.
Auszüge des Interviews sind auch erschienen in: "Der Grazer" vom 10.03.2024