Verglichen mit Männern sterben Frauen häufiger an einem Herzinfarkt. Gründe sind Unterschiede im Alter und in Begleiterkrankungen, die auch die Risikoabschätzung bei Frauen erschweren. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz haben Forschende in Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz ein neues Vorhersagemodel entwickelt, das die personalisierte Versorgung von Frauen mit Herzinfarkt verbessert.
Größte europäische Studie zum akuten Koronarsyndrom vorgestellt
Im August versammelten sich die weltweit führenden Wissenschafter*innen auf dem Gebiet der Herzkreislaufmedizin in Barcelona, Spanien, um die neuesten Fortschritte im globalen Kampf gegen Herzkrankheiten zu diskutieren. Unter anderem wurden Ergebnisse der bislang größten Studie Europas zum Akuten Koronarsyndrom ohne ST-Hebung (NSTE-ACS) präsentiert. Ein internationales Forschungsteam, angeführt vom Med Uni Graz-Absolventen Florian A. Wenzl von der Universität Zürich, hat in Zusammenarbeit mit Sereina A. Herzog vom Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation der Med Uni Graz (Leitung: Andrea Berghold) die Rolle des biologischen Geschlechts in der Risikoprädiktion und -stratifikation untersucht. Die Studie beruht auf Daten von 420.781 Patient*innen aus ganz Europa und wurde in renommierten Fachjournal The Lancet publiziert.
Unterschiede im Risikoprofil von Frauen und Männern
Die Studie zeigt, dass sich Frauen und Männer in ihrem Risikofaktorprofil unterscheiden und etablierte Risikomodelle, die das derzeitige Patient*innenmanagement steuern, bei Frauen weniger genau sind, wodurch die Unterbehandlung weiblicher Patienten begünstigt wird. Mit Hilfe von maschinellem Lernen ist es gelungen einen verbesserten Risikoscore zu entwickeln, der geschlechtsspezifische Unterschiede im Risikoprofil berücksichtigt und die Vorhersage der Sterblichkeit bei Frauen und Männern verbessert. Viele Forschende und Biotech-Unternehmen sind sich einig, dass künstliche Intelligenz und die Analyse von Big Data der nächste Schritt auf dem Weg zur personalisierten Patient*innenversorgung sind. Moderne Computeralgorithmen können aus großen Datensätzen lernen und genaue Vorhersagen über die Prognose einzelner Patient*innen treffen. Und diese sind wiederum der Schlüssel zu individualisierten Behandlungen.
„Unsere Studie läutet die Ära der künstlichen Intelligenz in der Behandlung von Herzinfarktpatient*innen ein", erklärt Florian Wenzl. Die Autor*innen hoffen, dass der Einsatz der neuen Risikobewertung derzeitige Behandlungsstrategien verfeinert, geschlechtsspezifische Ungleichheiten verringert und letztlich das Überleben insbesondere von Frauen mit Herzinfarkt verbessern wird.
Steckbrief: Florian A. Wenzl
Florian A. Wenzl hat nach dem Medizinstudium an der Medizinischen Universität Graz die Ausbildung an der University of Pennsylvania sowie am Deutschen Herzzentrum München fortgesetzt und forscht an der Universität Zürich an der Behandlung von Herzerkrankungen. Er ist Fellow von Professor Thomas F. Lüscher, einem der weltweit führenden Wissenschafter auf dem Gebiet der Herzkreislaufmedizin und klinischer Leiter der beschriebenen Studie.
Textnachweis: Florian A. Wenzl, Universität Zürich