„Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist“ – dieses bekannte Sprichwort beschreibt treffend die neue Methode MEDI, die an der Med Uni Graz gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam entwickelt wurde, um Ernährungsgewohnheiten mithilfe von DNA-Fragmenten zu entschlüsseln. Die neuartige Technik namens MEDI (Metagenomic Estimation of Dietary Intake) eröffnet völlig neue Möglichkeiten in der Ernährungsforschung – ganz ohne den Einsatz mitunter fehleranfälliger Umfragen oder Ernährungstagebücher.
MEDI: mit DNA-Analysen zu präziseren Ernährungserkenntnissen
MEDI basiert auf der metagenomischen Sequenzierung, einer Methode, die bisher vor allem zur Analyse von Mikroorganismen im Darm verwendet wurde. Die Wissenschafter*innen der Medizinischen Universität Graz entwickelten MEDI in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen vom Institute for Systems Biology in Seattle, USA. Die Methode erkennt Nahrungsmittel-DNA-Reste im Stuhl und liefert damit ein detailliertes Bild der aufgenommenen Lebensmittel und Nährstoffe.
„Seit Jahrzehnten verlassen sich die Ernährungswissenschaften auf Umfragen, die ein hohes Maß an Konzentration und Erinnerungsvermögen erfordern. Doch wer weiß schon genau, wie viele Erdbeeren er vorgestern gegessen hat oder ob es ein oder zwei Gläser Wein waren?“, sagt Christian Diener vom Diagnostik- und Forschungsinstitut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin an der Med Uni Graz und Erstautor der Studie, die heute im renommierten Journal nature metabolism veröffentlicht wurde. „MEDI bietet hier eine objektive Alternative, indem es DNA-Spuren von Lebensmitteln in Stuhlproben identifiziert – mit einer beeindruckenden Übereinstimmung zu bekannten Ernährungsdaten.“
Nahrungsmittelerkennung ohne Umfragen
MEDI erkennt über 400 verschiedene Lebensmittel anhand einer DNA-Datenbank mit mehr als 300 Milliarden Basenpaaren. Die Methode bewährte sich in Untersuchungen mit Kindern, Erwachsenen sowie in zwei kontrollierten Ernährungsstudien. „Wir haben in den untersuchten Proben in mehr als 99 % der Fälle Nahrungs-DNA gefunden. Mit MEDI ist es uns möglich, Nahrungs-DNA zu sequenzieren, auch wenn diese weniger als 0,001 % der in der Probe enthaltenen gesamten DNA ausmacht“, beschreibt Christian Diener die neue Methode.
Die aus den DNA-Spuren bestimmten Nahrungsmittel werden in detaillierte Nährstoffprofile umgerechnet, die die Aufnahme von Eiweiß, Vitaminen und anderen Nährstoffen exakt abbilden. In einer Studie mit über 500 Proband*innen konnte MEDI Nahrungsmittel und Nährstoffe identifizieren, die mit einem erhöhten Risiko für das metabolische Syndrom assoziiert sind – und das ganz ohne Ernährungsfragebögen. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie wir Ernährungsgewohnheiten und das Darmmikrobiom gleichzeitig messen können“, ergänzt Sean Gibbons vom Institute for Systems Biology in Seattle, USA, und Co-Autor der Studie. „Das liefert uns neue Erkenntnisse über individuelle Reaktionen auf Nahrungsmittel und potenzielle Gesundheitsrisiken“, fügt Christian Diener hinzu.
Die Forscher*innen sehen in MEDI großes Potenzial für klinische und epidemiologische Studien. Die Methode könnte helfen, Ernährungsempfehlungen zu personalisieren, Ernährungsinterventionen zu verbessern und den Einfluss der Ernährung auf die Darmgesundheit besser zu verstehen – und das alles ohne aufwendige Dokumentationen, sondern allein durch eine einfache Stuhlprobe. „So könnte die gleichzeitige Detektion von Mikroben und Nahrung in Stuhlproben etwa dazu dienen, Nahrungsmittel zu identifizieren, die Infektionen im Darm begünstigen, oder personalisierte Ernährungskonzepte zu entwickeln, welche die Wiederherstellung der Darmflora nach einer Antibiotikatherapie gezielt optimieren“, blickt Christian Diener in die Zukunft.