Apfelbutzen vor einem Spiegel

Anorexia nervosa: Schlank und krank durch Cholesterin

Anorexia nervosa ist viel mehr als „nur“ eine Essstörung. Die betroffenen Menschen – meist junge Frauen – leiden nicht nur psychisch extrem, sondern auch physisch. Neben einer verzerrten Selbstwahrnehmung richtet die ständige Unterernährung auch schwere Schäden in verschiedensten Bereichen des Körpers an. Herzrhythmusstörungen, Störungen des Elektrolyt- und Hormonhaushalts, Osteoporose bereits in jungen Jahren und viele weitere Probleme folgen der Magersucht nach. In einer Kooperation zweier Forschungsgruppen am Otto Loewi Forschungszentrum an der Med Uni Graz haben die Wissenschafter*innen in einer neuen Studie eine bisher weniger erforschte Folge der Anorexia nervosa in den Fokus genommen. Julia Stadler vom Lehrstuhl für Pharmakologie berichtet über die signifikanten Veränderungen des Cholesterinhaushalts und darüber, wie sie sich auf das Blutgefäßsystem auswirken können.


Lipoproteine als Transportpartikel für Cholesterin

Verstopfte Gefäße aufgrund von Ablagerungen von Blutfetten und anderen Stoffen sind eine Folge einer Vielzahl von Störungen und Krankheiten. Eine wichtige Rolle spielen hiebei die sogenannten Lipoproteine. Lai*innen sind meist zwei dieser Lipoproteine bekannt: das „gute“ HDL (High-density-Lipoprotein) und das „böse“ LDL (Low-density-Lipoprotein). Beide erfüllen wichtige Aufgaben: LDL transportiert Cholesterin von der Leber in die verschiedenen Gewebe des Körpers, HDL bringt nicht benötigtes Cholesterin wieder zurück in die Leber. „Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren gezeigt, dass HDL-Partikel auch weitere schützende Funktionen wie anti-oxidative oder anti-entzündliche Aktivitäten haben“, erläutert Julia Stadler die günstigen Eigenschaften der HDL-Partikel. Die beiden Lipoproteine sind praktische körpereigene Transportpartikel für wasserunlösliche Stoffe wie Cholesterin, Fettsäuren oder verschiedene Vitamine. Eine hohe Konzentration von LDL im Blut führt allerdings oft zu Fetteinlagerungen in den Wänden von Blutgefäßen und so schlussendlich zu Arteriosklerose.


Anorexie: gefährliche Zunahme von LDL-Partikeln

Oft wird die Arteriosklerose aufgrund von Cholesterin mit Übergewicht in Verbindung gebracht, die neue Studie der Med Uni Graz zeigt, dass es aber auch bei Menschen, die an Anorexia nervosa leiden, zu Veränderungen im Lipoproteinhaushalt kommt, die eine Arteriosklerose begünstigen können. Während die Untersuchungen keine signifikanten Veränderungen beim HDL-Cholesterin finden konnten, gibt es bei den untersuchten Patient*innen eine negative Auswirkung auf die LDL-Partikel im Blut. Nicht jedes LDL ist gleich: Es gibt Untergruppen, die ein höheres bzw. niedrigeres Risiko für atherogene – also Arteriosklerose hervorrufende – Veränderungen der Blutgefäße aufweisen. „Lipoproteine sind äußerst komplexe Partikel, die sich in Größe und Dichte unterscheiden. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die kleineren LDL-Untergruppen wesentlich atherogener sind und sich eher in der Blutgefäßwand einlagern als die größeren Partikel“, erklärt Julia Stadler die Gefahren dieser Lipoproteine. Bei Patient*innen mit Anorexia nervosa nehmen die gefährlicheren LDL-Partikel zu, was sich negativ auf die Blutgefäße auswirken kann.


Erhöhter VLDL-Wert begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Eine weitere negative Veränderung im Blut von Anorexia-nervosa-Patient*innen ist das erhöhte Niveau von VLDL. VLDL (Very-low-density-Lipoprotein) ist – ähnlich wie LDL – mit einem erhöhten Risiko für Arteriosklerose bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert. Inwieweit diese Lipoproteinmarker tatsächlich mit dem Risiko einer solchen Erkrankung bei Anorexie-Patient*innen zusammenhängen, muss jedoch noch in größeren Studien nachgewiesen werden.


Steckbrief: Julia Stadler

Julia Stadler hat Molekularbiologie in Graz studiert und sich anschließend für ein PhD-Studium an der Medizinischen Universität Graz beworben. Gemeinsam mit dem Leiter der Forschungseinheit Gunther Marsche erforscht die Arbeitsgruppe Veränderungen der schützenden Funktionalitäten und die komplexe Zusammensetzung von HDL-Partikeln bei entzündlichen Erkrankungen.

Kontakt

Julia Stadler MSc
Medizinische Universität Graz
Lehrstuhl für Pharmakologie
T: +43 316 385 74115