Forscher arbeitet mit Teströhrchen - AdobeStock/rh2010

Innovative globale Partnerschaften und „grüne“ Medizin für eine bessere zukünftige Pandemievorsorge

Anlässlich der 77. General­versammlung der Vereinten Nationen (UNGA77) in New York wurde in einer Veranstaltung des Science Summit das Plant Molecular Farming (PMF), die Nutzung von Pflanzen zur Herstellung wichtiger pharmazeutischer Proteine, als vielversprechende und zuverlässige Option für eine bessere zukünftige Pandemievorsorge hervorgehoben. PMF bietet eine reife, vielseitige, skalierbare und erschwingliche Technologieplattform zur Entwicklung einer eigenständigen Produktion. Um PMF in Ländern, in denen Medikamente und Impfstoffe am dringendsten benötigt werden effizient zu implementieren, wurde auf einer bei der Ständigen Vertretung Österreichs bei den Vereinten Nationen in New York abgehaltenen hybriden Veranstaltung ein neues Modell für die globale Zusammenarbeit und den Kapazitätsaufbau vorgestellt.

Der gleichberechtigte Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln und Impfstoffen ist ein zentrales Ziel des SDG 3 "Gesundheit und Wohlbefinden". Die COVID-19-Pandemie zeigt auf, wie Infektionskrankheiten die globalen Gesundheitssysteme beeinträchtigen und wie sich die globalen Ungleichheiten bei Forschung und Entwicklung, bei der Herstellung und letztlich beim Zugang zu Impfstoffen auswirken. Millionen von Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC) haben keinen angemessenen Zugang zu Arzneimitteln, die Kapazitäten der einheimischen biopharmazeutischen Produktion sind unzureichend und die von Pharmaunternehmen im globalen Norden verlangten hohen Preise machen medizinische Behandlungen für viele Menschen unerschwinglich, was zu Millionen vermeidbarer Todesfälle führt. Die hohe weltweite Nachfrage nach Biopharmazeutika - Impfstoffen oder Arzneimitteln - verschärft die Versorgungsengpässe weiter, was sich insbesondere auf die Gesundheit der Bevölkerung in den LMIC negativ auswirkt.

Es ist dringend geboten, die Resilienz der LIMCs gegen ähnliche zukünftige globale Pandemien zu verbessern. Ein wichtiger Beitrag dazu ist der Ausbau der medizinischen Infrastruktur vor Ort und die entsprechende Ausbildung von Menschen, damit sie in der Lage versetzt werden, Notfallsituationen im öffentlichen Gesundheitswesen zu bewältigen. Vor diesem Hintergrund wurde bei einer Veranstaltung beim Wissenschaftsgipfel im Rahmen der UN-Generalversammlung von der österreichischen Initiative Medicines for Future (M4F) gemeinsam mit Cape Bio Pharms, Südafrika, in Zusammenarbeit mit der International Society of Plant Molecular Farming (ISPMF) das Plant Molecular Farming (PMF) als ein wichtiger Beitrag zur weltweiten Diversifizierung der Produktion von Biopharmazeutika hervorgehoben, um den Zugang zur Medikamenten und Vakzinen in LMICs zu verbessern. Bei PMF handelt es sich um eine innovative Technologieplattform, die eine vergleichsweise einfache, hoch skalierbare und zugleich kostengünstige, jedoch vielseitige und zuverlässige Produktion von Biopharmazeutika ermöglicht. So können etwa Proteine für die Behandlung von Infektionskrankheiten und nicht übertragbaren Krankheiten sowie Diagnosereagenzien innerhalb eines Monats nach der Identifizierung eines neuen Erregers oder neuer Varianten bekannter Erreger hergestellt werden, in kleinen oder großen Mengen und ohne potenzielles Risiko der Übertragung von Pathogenen tierischen Ursprungs. Eine Reihe von Fallstudien, die von Start-up-Unternehmen aus Afrika, Asien und Lateinamerika beim Wissenschaftsgipfel in New York vorgestellt wurden, zeigen die Vielfältigkeit der PMF Technologie, das kommerzielles Potenzial und künftige mögliche Beiträge von PMF für Notfallmaßnahmen zur dezentralen, schnellen Herstellung von Biopharmazeutika.

Um den Zugang zu lebenswichtigen Arzneimitteln für Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen durch den Aufbau lokaler Produktionskapazitäten und die Entwicklung von Technologien zu verbessern, sieht das neue Modell für die globale Zusammenarbeit und den Aufbau von Kapazitäten einen synchronisierten zweistufigen Ansatz vor, bei dem Partnerschaften zur Steigerung der Produktionskapazitäten für Arzneimittel und Impfstoffe sowie zur Ausbildung von Fachkräften aufgebaut werden.

Alexander Marschik, Ständiger Vertreter Österreichs und Botschafter bei den Vereinten Nationen, betonte in seiner Begrüßungsrede, "die Entwicklungsländer in die Lage zu versetzen, kosteneffiziente, qualitativ hochwertige Impfstoffe und Arzneimittel auf innovative und nachhaltige Weise herzustellen und zu vertreiben, indem sie Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger und die Industrie zusammenbringen, ist die Art von internationalem Prototyp-Modell, das wir brauchen, um künftige Pandemien zu bekämpfen".

Florian Krammer, aus Österreich kommender Professor of Vaccinology an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York, betonte die Notwendigkeit, Gegenmaßnahmen für aktuelle Pandemien zu entwickeln und sich rechtzeitig auf künftige Pandemien vorzubereiten. Kurt Zatloukal, Professor für Pathologie an der Medizinischen Universität Graz und Mitbegründer von M4F erklärt, dass "der kooperative Aufbau von PMF-Herstellungskapazitäten in LMICs zusammen mit der Ausbildung einer neuen Generation von Fachkräften die Produktion in jenen Ländern ermöglicht, in denen die Medikamente am dringendsten benötigt werden, und zwar zu Preisen, die für diese Länder erschwinglich sind“ und illustriert dies am Beispiel eines innovativen Ansatzes für eine COVID-19 Therapie. M4F-Mitbegründer Josef Glößl, Professor für Genetik und Zellbiologie an der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) fügt hinzu, „dass dadurch neue und qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen und die Risiken unterbrochener Lieferketten, wie sie während der COVID-19- Pandemie aufgetreten sind, verringert werden".

Julian Ma, Professor an der St. George's University of London, hebt hervor, dass "Molecular Farming eine noch nie dagewesene Möglichkeit ist, den weltweiten Zugang zu modernen Medikamenten zu verändern". Ed Rybicki, Direktor der Biopharming-Forschungseinheit an der Universität Kapstadt, meint, dass "PMF die Einstiegstechnologie sein könnte, die es LMICs ermöglicht, an allen Ebenen der One Health Initiative teilzunehmen, wie die Herstellung von Reagenzien zur Verwendung als Diagnostika, aber auch von Proteinen, die als Therapeutika oder Impfstoffe gegen Erkrankungen von Tieren und Menschen eingesetzt werden können". Belinda Shaw, Gründerin von Cape Bio Pharms, argumentiert: "Wir haben die Produktions­plattform auf Pflanzenbasis bereits kommerzialisiert und bewiesen, dass es sich dabei um eine hochproduktive Technologie handelt, mit der nicht nur einfache Proteine, sondern auch komplexe Molekülstrukturen und Fusionsproteine hergestellt werden können“. Weiters hat sie ausgeführt, dass „PMF ideal geeignet ist, um nicht nur zur Versorgungssicherheit Afrikas beizutragen, sondern auch zur Entwicklung einheimischer geistiger Eigentumsrechte, die einen Großteil der 70 bis 90 Prozent der pharmazeutischen Proteine ersetzen können, die derzeit importiert werden müssen".

Hochrangige Teilnehmer aus mehreren Ländern, darunter Nigeria, Ghana, Sudan und Südafrika, die bei der Veranstaltung in New York anwesend waren, betonten die Bedeutung innovativ gestalteter internationaler Partnerschaften insbesondere für den Kapazitätsaufbau in den Bereichen Forschung, Ausbildung und Kompetenzentwicklung für die Errichtung von Produktionsanlagen in LIMCs, um einen besseren Zugang zu Medikamenten und Impfstoffen zu erhalten. In einem ersten Folgetreffen der M4F-Mitinitiatoren Josef Glößl und Kurt Zatloukal in der Ständigen Vertretung Nigerias bei den Vereinten Nationen mit Seiner Exzellenz, Botschafter George Ehidiamen Edokpa, wurden die Möglichkeiten von PMF weiter erörtert, was zu einer Vereinbarung weiterführender Gespräche über den Aufbau einer künftigen Zusammenarbeit führte.


Über Medicines for Future

Medicines for Future (M4F) ist eine neu gegründete internationale Biotechnologie-Initiative aus Österreich, die auf Arbeiten hochrangiger Forschungsteams der Medizinischen Universität Graz (MUG) und der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) basiert. Die Mission von M4F ist es, effiziente und erschwingliche Medikamente für Menschen auf der ganzen Welt zu produzieren, indem sie die Entdeckung und skalierbare Herstellung von Medikamenten durch Plant Molecular Pharming innovativ gestalten.


Über Cape Bio Pharms

Cape Bio Pharms in Kapstadt, Südafrika, wurde 2015 gegründet, um das kommerzielle Potenzial der pflanzenbasierten transienten Expressionsplattform zu erschließen, die über viele Jahre hinweg von der Biopharming-Forschungseinheit von Professor Ed Rybicki an der Universität Kapstadt entwickelt wurde. Cape Biologix South Africa, die Tochtergesellschaft von Cape Bio Pharms, hat eine Reihe von rekombinanten SARS-CoV-2-Proteinen auf pflanzlicher Basis für die Diagnostik und Forschung in kommerziellem Maßstab hergestellt. Das Unternehmen stellt derzeit eine Vielzahl von Forschungsreagenzien her und erweitert seinen Katalog an diagnostischen Reagenzien zur Verwendung in Testkits für Ebola, Malaria, HIV und Gelbfieber - um nur einige zu nennen. Die F&E-Aktivitäten werden nun auf Tierdiagnostik und auf Impfstoffe gegen verschiedene kritische Krankheiten ausgeweitet.

Textnachweis: Josef Glößl