Der Lehrstuhl für Zellbiologie, Histologie und Embryologie der Med Uni Graz feiert seinen 150. Geburtstag. Zum ersten Mal öffnete das damalige Institut für Histologie und Embryologie im Jahre 1872 seine Türen, damals noch unter dem Schirm der medizinischen Fakultät der Universität Graz. 2006, kurz nachdem die medizinische Fakultät der Universität Graz ausgegliedert und zur Med Uni Graz wurde, erweiterte sich das Institut um das Fachgebiet Zellbiologie. Seit 2018 hat das Institut, das als Teil des Gottfried Schatz Forschungszentrums nun Lehrstuhl für Zellbiologie, Histologie und Embryologie heißt, seinen Sitz am Campus der Med Uni Graz.
Das Institut für Histologie und Embryologie war in Graz ein Vorreiter in Bezug auf die Gleichstellung von Mann und Frau. Sowohl die erste Habilitation als auch die erste Professur einer Frau in Graz konnten hier gefeiert werden. 1929 war Dora Börner-Patzelt die erste Frau, die sich hier habilitierte und von 1945 bis 1947 war sie als erste Frau supplierende Leiterin des Instituts. Direkt anschließend wurde Carla Zawisch-Ossenitz 1947 zur ersten Professorin des Faches Histologie und Embryologie berufen und leitete das Institut von 1947 bis 1959. Als dritte Frau war schließlich Maria-Anna Pabst von 1999 bis 2004 Leiterin des Instituts für Histologie und Embryologie.
Das Fremde in uns
Doch 150 Jahre Histologie sind nicht nur ein Grund, in die bewegte und erfolgreiche Vergangenheit zu blicken, sondern auch, um die Zukunft des Feldes an der Med Uni Graz zu erkunden. Ein spannendes, innovatives und richtungsweisendes Forschungsgebiet am Lehrstuhl ist der Mikrochimärismus, an dem Thomas Kroneis und sein Team forschen. Mikrochimärismus beschreibt die Tatsache, dass Personen Zellen von anderen Menschen in sich tragen. Diese Zellen tauschen sich während der Schwangerschaft zwischen Mutter und Kind aus und nisten sich in weiterer Folge im fremden Körper ein. Die Frage ist, wie häufig dieses Phänomen vorkommt und ob wir letzten Endes nicht alle „Mikrochimären“ sind. Es gibt sogar Berichte, wonach Zellen älterer Geschwister über die Mutter als Zwischenwirt das Immunsystem ihrer jüngeren Geschwister beeinflussen oder sogar in sie einwandern könnten.
Effekte des Mikrochimärismus
Natürlicher Chimärismus ist sehr selten, allerdings können Menschen durch bestimmte medizinische Verfahren zu Chimären werden, zum Beispiel durch Organtransplantationen. Auch Bluttransfusionen können einen Menschen kurzzeitig zur Chimäre werden lassen. Da die Blutbestandteile wieder abgebaut werden, ist dieser Zustand aber nicht von Dauer.
Interessant an der Erforschung des Mikrochimärismus ist, welche Auswirkungen die fremden Zellen auf den Körper haben. So wird vermutet, dass die fremden Zellen im Körper sowohl positive als auch negative Effekte haben können. Zu den Vorteilen gehört, dass die mikrochimären Zellen sich positiv auf die Regeneration von mütterlichem Gewebe oder auf den immunologischen Schutz des heranwachsenden Fötus auswirken. Allerdings kann es sein, dass die Zellen auch eine Rolle bei spontanen Fehlgeburten oder im späteren Lebensverlauf bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen oder Krebs spielen. Welche dieser positiven und negativen Folgen tatsächlich auftreten und ob der Mikrochimärismus daher eher Fluch oder Segen ist, soll die Forschung dieses spannenden Gebietes, die gerade erst am Anfang steht, in den kommenden Jahren beantworten.
Führende Rolle
Die Med Uni Graz nimmt bei der Forschung auf diesem Gebiet international eine Führungsrolle ein. 2021 wurde eine internationale Gruppe von Wissenschafter*innen zusammengestellt, die sich unter der Führung von Thomas Kroneis vom Lehrstuhl für Zellbiologie, Histologie und Embryologie der Erforschung dieses spannenden Phänomens widmet.
Jubiläumsfeier
Um die 150 Jahre des Bestehens des Lehrstuhls zu feiern, findet am 11. und 12. September 2023 ein Fest am Campus der Med Uni Graz statt. Es wird nicht nur ein gespannter Blick auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft des Lehrstuhls geworfen, sondern mit interessanten Gästen aus ganz Österreich und darüber hinaus über die aktuelle Forschung im Bereich der Histologie gesprochen und wie die Lehre dieses interessanten Feldes in Zukunft vorangetrieben werden kann.
Steckbrief Thomas Kroneis:
Thomas Kroneis promovierte nach dem Diplomstudium der Technischen Chemie in Graz an der Med Uni Graz 2009 im Bereich der nicht-invasiven Pränataldiagnostik. Er habilitierte sich 2018 im Fach Zellbiologie, Histologie und Embryologie und ist seit Oktober 2021 zweiter stellvertretender Leiter des gleichnamigen Lehrstuhls an der Med Uni Graz.