Mit einem neuen Maßnahmenbündel beschließt die Gesundheitsplattform Steiermark weitere Schritte zur Bekämpfung des Mangels an Ärztinnen und Ärzten. Über eine Kooperation zwischen Med Uni Graz und KAGes sollen mit zwei neuen Stipendienmodellen 300 Jungmedizinerinnen und -mediziner für bis zu sechs Jahren an das steirische Gesundheitswesen gebunden werden. Ein weiteres Paket betrifft die psychiatrische Versorgung: Über neue fachärztliche Ausbildungsstellen wird dem steigenden Bedarf Rechnung getragen. Die zum Kennenlernen der Tätigkeit als Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin gesetzlich verankerte Ausbildung in einer Lehrpraxis wird ebenfalls fortgesetzt. Insgesamt umfasst das Volumen der Maßnahmen rund 21 Millionen Euro.
Personalmangel im Gesundheitsbereich als europaweites Phänomen
Sowohl in den Krankenanstalten als auch im niedergelassenen Bereich stellt der zunehmende Personalmangel generell, insbesondere aber im ärztlichen Bereich, eine Herausforderung dar. Folgen davon sind, dass sich einerseits Kassenstellen nicht oder nur verzögert besetzen lassen und sich PatientInnenströme zunehmend vom niedergelassenen in den Ambulanzbereich verlagern. Andererseits gibt es auch in den Krankenanstalten einen Mangel an Ärztinnen und Ärzten, der in einigen Häusern dazu führt, dass auch unpopuläre strukturelle Maßnahmen gesetzt werden müssen. Die mangelnde Verfügbarkeit an Ärztinnen und Ärzten in bestimmten Versorgungsbereichen besteht allerdings nicht, weil weniger aktive Ärztinnen und Ärzte im Gesundheitssystem vorhanden sind. Zwischen 2009 und 2019 ist die Zahl des medizinischen Personals in Köpfen österreichweit um drei Prozent gestiegen (Daten lt. „Ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich“, Bericht des Rechnungshofes, Reihe BUND 2021/30, siehe https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/004.840_A_rztliche_Versorgung.pdf). Allerdings hat sich der Bedarf deutlich erhöht. 2015 wurde das ÄrztInnen-Arbeitsgesetz (KA-AZG) umgesetzt, die „Baby-Boom-Generation“ erreicht das Pensionsalter, der medizinische Fortschritt führt zu einem höheren Spezialisierungsgrad und nicht zuletzt die Pandemie hat die Anforderungen an das medizinische Personal deutlich erhöht. Diese Entwicklungen betreffen nicht nur die Steiermark bzw. Österreich, sondern sind ein europaweites Phänomen.
Die Steiermark begegnet den Herausforderungen mit zahlreichen Maßnahmen
Zahlreiche Maßnahmen wurden in der Steiermark bereits umgesetzt, um den Herausforderungen zu begegnen (siehe unten). In der Sitzung der Steirischen Gesundheitsplattform am 18. November 2022 soll nun ein ganzes Bündel an weiteren Maßnahmen beschlossen werden, dessen Volumen bei insgesamt rund 21 Millionen Euro liegt.
„Es braucht eine enge Kooperation aller Player im Gesundheitswesen, um eine qualitätsvolle medizinische Versorgung trotz aller Herausforderungen gewährleisten zu können. Wichtige Schritte wurden dazu bereits umgesetzt, nun folgt ein ganzes Maßnahmenbündel, das von Gesundheitsfonds, Med Uni Graz und KAGes gemeinsam entwickelt wurde. Ich danke allen Beteiligten, die dazu beigetragen haben und einmal mehr beweisen, dass die Steiermark zusammenhält und lösungsorientiert in die Zukunft arbeitet, wenn es enger wird“, sagt Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß.
Soziallandesrätin Doris Kampus sagt zum präsentierten Paket: „Als Soziallandesrätin ist es mir natürlich ein großes Anliegen, dass die Menschen in der Steiermark in allen Regionen medizinisch bestens versorgt werden. Aber auch der Gesundheitsbereich ist aktuell vom massiven Arbeitskräftemangel erfasst. Mit diesem Maßnahmenpaket zur ärztlichen Versorgung werden mehr als 300 Jungmedizinerinnen und -mediziner für mehrere Jahre an das steirische Gesundheitswesen gebunden und stehen für die Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Dieses Paket ist ein ganz deutliches Bekenntnis der Landesregierung, dass für uns ein funktionierendes Gesundheitssystem oberste Priorität hat.“
Hellmut Samonigg, Rektor der Medizinischen Universität Graz: „Als Rektor der Med Uni Graz freut es mich besonders, dass es nun gemeinsam im Schulterschluss mit der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. und dem Land Steiermark tatsächlich gelungen ist, ein attraktives Stipendienmodell zu entwickeln, um Studierende der Med Uni Graz während des Studiums finanziell zu unterstützen und diese in weiterer Folge nach dem Studienabschluss als Ärztinnen und Ärzte in der Steiermark halten zu können. Dieses Stipendienmodell ist ein wesentlicher Beitrag zur ärztlichen Versorgung in der Steiermark. Die Med Uni Graz beteiligt sich wie bisher auch zukünftig gerne darüber hinausgehend an der Weiterentwicklung von zielführenden Maßnahmen, zur Sicherstellung einer hohen Qualität der Gesundheitsversorgung in der Steiermark.“
Gerhard Stark, Vorstandsvorsitzender der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. (KAGes): „Die Ressourcenengpässe führen dazu, dass wir in einigen Bereichen eine Priorisierung des Erkrankungsgeschehens vornehmen müssen um eine qualitätsvolle Leistung, entsprechend der vorliegenden Dringlichkeit, garantieren zu können. Dazu haben wir eine eigene Rahmenstrategie für den Umgang mit Ressourcenengpässen erarbeitet. Es wird immer wichtiger, Vernetzung und Kooperation voranzutreiben und Strukturen auf die Inhalte hin permanent zu prüfen und anzupassen, was wir auch laufend machen. Das neue Stipendienprogramm, welches wir in Kooperation mit Gesundheitsfonds und Med Uni Graz umsetzen, ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Personalsituation zu verbessern.“
Die neuen Maßnahmen im Detail
- Stipendien- und Förderungsprogramm in Kooperation mit der Med Uni Graz – rund 10 Millionen Euro
Insgesamt können durch die Maßnahmen bis zu 300 Jungärztinnen und -ärzte an das steirische Gesundheitswesen gebunden werden – für bis zu sechs Jahre. Um sowohl kurz-, als auch mittel- und langfristig Wirkung zu erzielen, wurden zwei unterschiedliche Stipendienmodelle erarbeitet, für die insgesamt rund 10 Millionen Euro investiert werden. Als Programmstart ist das Sommersemester 2023 geplant.
Modell 1: Nach Abschluss des 1. Studienabschnitts für Humanmedizin und ab Eintritt in den 2. Studienabschnitt können sich Studierende bis zur Beendigung des Studiums (6. Studienjahr) um ein Stipendium in Form eines Fixbezuges von 950 Euro brutto (12-malig) bewerben. Im Gegenzug verpflichten sich die Studierenden, das Klinisch Praktische Jahr (KPJ) in der KAGes zu absolvieren und ab Beendigung des Studiums – abhängig von der Anzahl der Monate, für die ein Stipendium bezahlt wurde – bei der KAGes als zugewiesene Landesvertragsbedienstete im Rahmen eines vollzeitbeschäftigten Dienstverhältnisses ärztlich tätig zu sein.
Modell 2: Bewerben sich Studierende erst ab Beginn des 6. Studienjahres (Beginn des Klinisch Praktischen Jahres) bis zur Beendigung des Studiums um ein Stipendium, so kann dieses in Form eines Fixbezuges von 2.200 Euro brutto für 12 Monate gewährt werden. Im Gegenzug verpflichten sich die Studierenden ab Beendigung des Studiums für die Dauer von 42 Monaten bei der KAGes als zugewiesene Landesvertragsbedienstete im Rahmen eines vollzeitbeschäftigten Dienstverhältnisses ärztlich tätig zu sein.
- Zehn neue Ausbildungsstellen für Fachärztinnen/Fachärzte in psychiatrische Sonderfächern – 8,04 Millionen Euro
Der Bedarf an psychiatrischer Versorgung steigt. Maßnahmen in Umsetzung des Regionalen Strukturplans Gesundheit (RSG-St 2025, V 1.2) benötigen ebenfalls ein Mehr an Fachärztinnen und -ärzten für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin. Da die Ausbildung jedoch sechs Jahre dauert, sind bereits jetzt die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. Daher werden zehn zusätzliche Ausbildungsstellen für Turnusärztinnen und -ärzte zur fachärztlichen Ausbildung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin respektive für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapeutische Medizin in der KAGes geschaffen und finanziert. Dazu werden die Dienstpostenpläne am LKH-Univ. Klinikum Graz sowie LKH Graz II um zehn Vollzeitäquivalente aufgestockt. Turnusärztinnen und -ärzte, die auf diesen zusätzlichen Ausbildungsstellen ihre Ausbildung absolvieren, müssen sich im Vorfeld verpflichten, über einen definierten Zeitraum in einer Krankenanstalt der KAGes tätig zu sein. Dieses Modell ist vergleichbar dem, wie es zur Minderung des Mangels an Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendliche bereits umgesetzt wird. Die Zulässigkeit dieser Verpflichtung wurde bereits von der Abteilung 8 Gesundheit, Pflege und Wissenschaft sowie von der Fachabteilung Verfassungsdienst (VD) geprüft.
Bei idealtypischem Ausbildungsverlauf von mindestens 72 Monaten mit Beginn ab 2023 ist für die Finanzierung von zehn Dienstposten von Kosten in der Höhe von 8,04 Millionen Euro (exkl. Valorisierung) auszugehen.
- Ausbildung der Turnusärztinnen und -ärzte für Allgemeinmedizin in einer Lehrpraxis – 3,30 Millionen Euro
Die allgemeinmedizinische Ausbildung inkludiert eine sechsmonatige Tätigkeit in einer Lehr-(Gruppen-)Praxis oder einem Lehrambulatorium, welche sukzessive auf zwölf Monate erhöht wird. In der Steiermark stehen dazu derzeit 100 Lehrpraxen zur Verfügung, die Finanzierung erfolgt anteilsmäßig durch Bund, Länder und Sozialversicherung. Für die Jahre 2023 bis 2025 wird hier von einem Finanzbedarf in der Höhe von maximal 3,30 Millionen Euro ausgegangen.
Bereits umgesetzte Maßnahmen (Auswahl)
- Attraktivierung der Allgemeinmedizin: Seit 2019 fördert der Gesundheitsfonds Steiermark ein Projekt, welches über Mentoringprogramme, Vernetzungsaktivitäten zwischen Haus- und Turnusärztinnen und -ärzten und der Aktion „Zukunft Landarzt“ den Studierenden und Jungmedizinerinnen und -mediziner die landärztliche Tätigkeit näherbringen möchte.
- Um die Kinder- und Jugendfachärztliche Versorgung in der Obersteiermark zu sichern, werden für sechs Turnusärztinnen und -ärzte in der fachärztlichen Ausbildung für Kinder- und Jugendheilkunde zusätzliche Ausbildungsstellen finanziert. Jene, die eine solche Ausbildungsstelle in Anspruch nehmen, haben sich verpflichtet für einen definierten Zeitraum in der Obersteiermark tätig zu sein.
- Über ein Stipendienprogramm für Studierende an der Sigmund-Freud-Privat-Universität werden derzeit zwanzig Studierenden die Studiengebühren ersetzt. Bedingung um dieses Programm in Anspruch nehmen zu können, ist ebenfalls eine zeitliche Bindung als Arzt oder Ärztin über einen definierten Zeitraum an die Steiermark.
Maßnahmen zur Stabilisierung der Personalsituation im Pflegebereich der KAGes
- Ordinationsassistenz: Start der ersten KAGes-eigenen Ausbildungsklasse mit 1. Juni 2022 (15 Teilnehmende) für 24 Kalenderwochen (Abschluss in KW 46 erfolgt). Ein weiterer Lehrgang an der Schule für Gesundheits-und Krankenpflege Leoben startete im Oktober 2022 mit 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
- Ausbildung von PFA über ein Stiftungsmodell: Insgesamt 23 Personen (18 für PFA, 5 für PA) – Abschluss PA Ausbildungen im Herbst 2022, Abschluss der PFA Ausbildungen September 2023
- Recruiting von 17 DGKP aus Kolumbien für die LKHs Hochsteiermark und Graz II im Rahmen eines Pilotprojekts abgeschlossen
- Öffentliche Ausschreibung der Dienstleistung „Rekrutierung von DGKP im qualifizierten Zuwanderungsbereich“
- Recruitinggespräche für 30 DGKP aus Tunesien für LKH-Univ.-Klinikum Graz mit Start am 10. November 2022
- Recruiting für weitere 30 DGKP aus Kolumbien/Tunesien noch im November 2022
- Sonderausbildung Kinder- und Jugendlichenpflege-Lehrgang (elf Personen) startete im Oktober
- OTA-Ausbildung: Start im März 2023 mit zwei Klassen (à 18 Aufnahmen inkl. Möglichkeit für zehn OP-Assistentinnen und Assistenten/Diplomierte medizinische Fachassistentinnen und -assistenten (MFA) zur Teilnahme an den nachzuholenden Unterrichtsgegenständen) – Bewerbung bis 13.01.2023
- Änderung des Ablaufs im Austrittsfeedback (Kontaktaufnahme erfolgt bereits bei Bekanntgabe der Kündigung, um noch reagieren zu können)
- Durchführung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter-Workshops mit externer Begleitung an den Standorten LKH-Universitätsklinikum Graz, LKH Hartberg, LKH Murtal, im Juli 2022 um zusätzliche Inputs und Ideen zur Verbesserung der Arbeitssituation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pflege und der Ärzteschaft abzuholen
- Empfehlungsprogramm für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegebereich im Grazer Raum und Hochsteiermark im September gestartet
Textnachweis: Land Steiermark, Martin Schemeth