Klinisch-Pathologische Konferenz

Klinisch-Pathologische Konferenz
Fall 175

54-jähriger Patient mit Hyponatriämie und Delir nach Bandscheibenoperation 

Der Patient litt seit einigen Wochen an lumboischialgiformen Schmerzen im Dermatom L4/5 und teilweise auch S1 rechtsseitig. Es wurde extern ein MR der Lendenwirbelsäule durchgeführt, das einen rechtsbetonten Massenvorfall in der Etage L3/4 zeigte. Der Patient wurde an der Univ.-Klinik für Neurochirurgie vorgestellt, wo ihm zur operativen Sanierung mit Flavektomie und Diskusextraktion geraten wurde. Die Operation erfolgte einige Tage darauf und verlief komplikationslos. Postoperativ entwickelte der Patient eine Obstipation, die eine forcierte Stuhlsorge inklusive Kolonlavage notwendig machte. Weiters trat im postoperativen Verlauf eine Hyponatriämie auf (123 mmol/l), die als Verdünnungshyponatriämie klassifiziert wurde. Die Wundheilung verlief komplikationslos und der Patient wurde am 5. postoperativen Tag entlassen. Drei Tage später wurde der Patient im Heimatkrankenhaus vorstellig, da die Kontrolle des Serum-Natriums beim Hausarzt 118 mmol/L ergab. Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich der Patient müde, matt und abgeschlagen und die Gattin gab an, dass er am Morgen desorientiert gewesen war. Im weiteren Tagesverlauf trat dann eine akute Psychose mit Halluzinationen auf und der Patient wurde auf die Intensivstation aufgenommen, wo eine Natriumchlorid-Substitution erfolgte. Der Patient ist Musiker. Er trank anamnestisch wenig Alkohol, da er auf Alkoholkonsum mit einer prolongierten „Kater“-Symptomatik (Bauch- und Kopfschmerzen) reagiert. Aus der Anamnese ist weiters erhebbar, dass er schon lange an Obstipation leidet. Ca. 6 Monate vor dem jetzigen stationären Aufenthalt hatte der Patient einen Harnwegsinfekt mit vermuteter Makrohämaturie und Unterbauchschmerzen. Ansonsten keine Vorerkrankungen.

Bei der Aufnahme zur Hyponatriämieabklärung erschien der Allgemeinzustand reduziert, Größe: 186 cm; Gewicht: 86 kg; BMI: 24,9 kg/m2, RR 151/81 mmHg, HF 75/min, O2-Sättigung 98%, afebril. Der physikalische Status war bis auf ein sensomotorisches Defizit im Bereich des lateralen rechten Ober- und Unterschenkels bis zur rechten Großzehe unauffällig, Finger-Nase und Knie-Hackenversuch waren ebenfalls unauffällig, kein Anhalt für Dysdiadochokinese. Medikamente zum Zeitpunkt der Aufnahme: Novalgin Tbl. 4x500 mg, Pantoloc 40 mg, Antiflat Kautabletten. Labor: Leuko 8,3 109/L (4,0-10,0), Ery 4,13 1012/L (4,50-5,90), Hämoglobin 13,0 g/dL (14,0-17,5), Hämatokrit 31,9 % (40,0-50,0), MCV 77 fL (80-98), MCH 31,5 pg (28,0-32,0), Thrombozyten 155 109/L (140-440), Differentialblutbild unauffällig, CRP 0,6 mg/L (< 5,0), Na+ 114 mmol/L (135-145), K+ 3,35 mmol/L (3,50-5,00), Cl- 73 mmol/L (95-110), Ca++ ges. 2,24 mmol/L (2,20-2,75), Mg ges. 0,51 mmol/L (0,70-1,05), Kreatinin 0,83 mg/dL (0,50-1,20), Harnstoff 33 mg/dL (10-50), Harnsäure 3,6 mg/dL (3,4-7,0), errechnete GFR 99 mL/min/ (80-140), Bilirubin ges 1,10 mg/dL (-1.20), alkalische Phosphatase 74 U/L (40-129), GGT 75 U/L (10-71), Cholinesterase 6451 U/L (4600-13000), AST 33 U/L (0-35), ALT 35 U/L (0-45), LDH 329 U/L (135-225), Glucose 103 mg/dL (60-110), PZ 102% (70-140), INR 0,95, aPTT 24 sec (25-37), Ges.EW 6,94 g/dL (6,60-8,30), Albumin 4,33 g/dL (3,50-5,20), Serumosmolarität 241 mosm/kg (280-300). Harn: Na+ 128 mmol/L, K+ 24,74 mmol/L, Cl- 112 mmol/L, Ca++ 4.80 mmol/L, Harn-Osmolarität 471 mosm/kg (50-1200). Harn sonst chemisch und morphologisch unauffällig. Ruhe-EKG: SR 72/min., LT, PQ 0,15, QTC 0,44, R/S-Umschlag in V2, Endstrecken unauffällig, CT Thorax: Keine pathologisch vergrößerten Lymphknoten. Diskrete Plattenatelektase im posterobasalen Unterlappensegment links, ansonsten unauffällige Lungenstruktur. Das zentrale Bronchialsystem frei. Verdacht auf einen abgekapselten Perikarderguss eher rechts basal, differenzialdiagnostisch etwas ungewöhnliche Zwerchfellkonfiguration.

MRT des Gehirnschädels: Normale Weite der intra- und extrazerebralen Liquorräume. Einzelne punktförmige Signalhyperintensitäten im supratentoriellen Marklager beider Großhirnhemisphären mikroangiopathischer Genese. Keine diffusionspositiven Areale bzw. kein Hinweis auf rezente Ischämie. Kein Hinweis auf stattgehabte intrakranielle oder extrakranielle Hämorrhagien. Unauffällige Darstellung der Kleinhirnbrückenwinkelregion beidseits einschließlich des N. vestibulocochlearis. Lediglich Nachweis einzelner kleinfleckiger kortikaler bzw. subkortikaler Signalhyperintensitäten okzipitopolar beidseits, rechts ausgeprägter als links, in erster Linie älterer vaskulärer Genese. Kein pathologisches Kontrastmittelenhancement. Regelrechte Perfusion der venösen Blutleiter. Psychiatrischer/ psychosomatischer Befund: Verdacht auf Delirium mit psychotischer Symptomatik. Therapieempfehlung: Einleitung von Risperdal und Pregabalin, bei guter Verträglichkeit Dosis-Steigerung. Temesta bei innerer Unruhe und Angespanntheit. Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen: Höhergradiger Meteorismus betreffend Dick- und Dünndarmschlingen. Stuhlretention. Offenbar Kontrastmittelreste im Bereich des Kolonrahmens. MR LWS: Anamnestisch Zustand nach Flavotomie und Sequesterotomie L3/L4 rechts propter Discusprolaps. Segment L3/L4: bis max. 1,5 cm große Flüssigkeitsansammlungen entlang des operativen Zugangsweges mit perifokalem, teils diffusem Kontrastenhancement. Nachweis einer mediolateral rechtsseitigen Raumforderung, maximaler Sagittaldurchmesser 1 cm in Höhe des Bandscheibenniveaus mit teils deutlicher Abhebung des hinteren Längsbandes und fokaler Impression des Duralsackes und offenbar Bedrängung und Irritation der lokoregionären Nervenwurzel L4 rechts am und nach dem Abgang. Die beschriebene Veränderung einer mediolateral rechtsseitigen Rezidiv- oder Restextrusion entsprechend bei jedoch zusätzlich ausgeprägter perifokaler kontrastmittelaufnehmender Fibrosereaktion in diesem Bereich. Mäßiggradige Osteochondrose und inzipiente Intervertebralarthrosen. Chondrose L5/S1 (Modic Läsion Typ II) mit dorsomedianer partiell osteophytär überdachter Diskushernierung nach dorsal ohne signifikante Impression des Duralsackes oder Bedrängung der lokoregionären Nervenwurzeln. Inzipiente Intervertebralarthrosen L5/S1 beidseits. Im Übrigen unauffällige MRT der LWS.

Ein diagnostischer Test wurde durchgeführt.