Mit dem Förderprogramm „GESUNDHEIT3000“ will MEFOgraz engagierten Forscher*innen die Durchführung eigenständig beantragter Forschungsprojekte ermöglichen. Gefördert werden Forschungsprojekte aller wissenschaftlichen Themengebiete, die einen mittelbaren oder unmittelbaren Bezug zur Verbesserung von Vorsorge, Früherkennung, Diagnose oder Behandlung zum Ziel haben.
Die Preisträger*innen
Andreas Reinisch
Aberrant immune signaling and clonal dominance in splicing factor mutant myeloid malignancies
Das Dogma der Molekularbiologie besagt, dass Informationen in unseren Zellen von DNA zu RNA zu Proteinen übertragen werden. Die genetische Information auf der DNA wird im Schritt der Transkription in RNA umgeschrieben. Diese RNA, auch bekannt als Boten-RNA (messenger RNA), dient als Vorlage für die Proteinbiosynthese. Splicing ist ein Prozess, bei dem unnötige Teile aus dieser Boten-RNA entfernt werden, um eine klare Anleitung für die Herstellung von Proteinen zu erhalten. Um aus einer einzigen mRNA viele verschiedene Vorlagen für Proteine zu produzieren und somit eine möglichst hohe genetische Vielfalt zu erlangen, werden unterschiedliche Bereiche der mRNA rausgeschnitten oder verwendet. Bewerkstelligt wird dieser sehr komplizierte Prozess des Splicings durch einen Komplex aus Proteinen und Nukleinsäuren, dem sogenannten „Spliceosom“.
Bei Blutkrebserkrankungen werden häufig Mutationen in diesem Spliceosom-Komplex gefunden. Diese Mutationen führen dazu, dass die sich in den mutierten Zellen die Zusammensetzung der Boten-RNA Stücke verändert, was wiederum ein schnelleres Wachsen dieser Zellen und somit die Entstehung von Blutkrebserkrankung begünstigt.
In diesem Projekt wollen die Forscher*innen die häufigsten Mutationen im Spliceosom mittels neuer molekularbiologischer Verfahren wie der Genschere CRISPR/Cas9 in gesunde Blutstammzellen einbringen. Dadurch wird es ermöglicht, funktionelle Veränderungen, welche durch die Mutationen verursacht werde, im Labor detailliert zu untersuchen und die Zusammensetzung der Boten-RNA genau zu beleuchten.
Das Ziel ist, genauer zu verstehen, welche Mechanismen das Auswachsen von mutierten Zellen begünstigt und welchen Einfluss chronische Immunstimulation auf diesen Prozess hat.
Oleksandra Tiapko
Entschlüsselung von Alzheimer: TRPC1 als zentrale Figur bei Protein-Entfaltung und Cholesterin-Biosynthese
Das Forschungsprojekt untersucht die Beteiligung des Calciumkanals TRPC1 am neuronalen Stoffwechsel bei der Alzheimer-Krankheit.
Oleksandra Tiapko und ihr Team werden Experimente mit einzigartigen genetisch veränderten Mäusen durchführen, um den Verlauf neurodegenerativer Erkrankungen zu erläutern. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Aktivierung des TRPC1-Calciumkanals nicht nur die Ca2+-Konzentration in den Zellen erhöht, sondern auch pathologische Veränderungen hervorruft, die charakteristisch für eine Alzheimer-Krankheit sind, wie beispielsweise eine erhöhte Cholesterinproduktion und induzierte Redox-Veränderungen, in ansonsten gesunden Neuronen.
Das Forschungsteam zielt darauf ab, TRPC1-abhängige Signalwege in gesunden Neuronen weiter zu erforschen und diese Erkenntnisse mit denen zu vergleichen, die in Neuronen beobachtet werden, die von dem Hauptmerkmal der Alzheimer-Krankheit, Amyloid-Beta, betroffen sind. Die Ergebnisse werden nicht nur TRPC1 als potenzielles therapeutisches Ziel bestätigen, sondern auch wesentliche Signalwege identifizieren, die durch den Kanal während der Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen aktiviert werden.
Oleksandra Tiapko schloss ihr Masterstudium in Human- und Tierphysiologie an der Taras-Schewtschenko-Nationaluniversität der Ukraine im Jahr 2013 ab. Sie begann ihre Promotionsstudien unter der Leitung von Prof. Klaus Groschner (2014-2018) mit dem Schwerpunkt auf der Untersuchung der Rolle der Lipidumgebung in der Aktivität von TRPC-Calciumkanälen. Während ihrer postdoktoralen Forschung setzte Dr. Tiapko ihre Erforschung von TRPC-Lipid-Interaktionen und deren Auswirkungen auf den neuronalen Stoffwechsel fort. Ihre Beiträge führten zur Erlangung unabhängiger Fördermittel von FWF und BioTechMed Graz, was die Gründung ihres eigenen Forschungsteams ermöglichte, das sich der Untersuchung von Calciumkanälen in der neuronalen Homöostase widmet.
Ihre Forschungsinteressen konzentrieren sich darauf, die Rolle der TRPC-Calciumkanalfamilie im Hirnstoffwechsel und in der Erregbarkeit zu klären, mit dem ultimativen Ziel, innovative Strategien zur Modulation dieser Proteine sowohl im gesunden als auch im krankhaften Kontext zu entwickeln.
Dagmar Brislinger
Building Better Blood Vessels: Human Protein Electrospun Scaffolds in Tissue Engineering
Unsere Gesellschaft steht vor einer wachsenden Herausforderung: die Rekonstruktion von Blutgefäßen aufgrund zunehmender Ablagerungen durch Arteriosklerose und somit einer Schädigung der Blutgefäße. Wenn es um große Gefäße geht, können synthetische Implantate helfen, aber für kleinere Gefäße stoßen diese an ihre Grenzen. Eine Lösung sind künstliche Gefäßimplantate, die aus Gewebe entwickelt werden. Diese werden aus einer Struktur hergestellt, die Zellen beherbergt und durch ein spezielles Verfahren namens Elektrospinnen erzeugt wird. Dabei entsteht eine dreidimensionale Struktur, die der natürlichen Umgebung der Zellen ähnelt und so ihre Haftung und Vermehrung fördert.
Das Projekt in der Forschungsgruppe Brislinger zielt darauf ab, solche Gewebeimplantate aus menschlichen Blutproteinen herzustellen. Der Prozess umfasst verschiedene Schritte, darunter die Trennung des Plasmas, die Konzentration der Proteine und das Elektrospinnen. Außerdem werden die Implantate im Labor getestet, um ihre Eignung für den Einsatz im Körper zu bewerten. Die Forscher*innen möchten herausfinden, wie gut sich die Zellen an den Implantaten festsetzen und ob diese neuen Blutgefäße bilden können. Die Ergebnisse dieses Projekts werden als Grundlage für weitere Forschung dienen, um die Entwicklung von künstlichen Blutgefäßen voranzutreiben.
Dagmar Brislinger leitet seit 2018 die Forschungsgruppe Tissue Engineering, Regeneration and Wound Healing am Lehrstuhl Zellbiologie, Histologie und Embryologie. Sie ist ebenfalls langjähriges Mitglied der RepRefRed Society (T3Rs, www.reprefred.eu) um die Entwicklung von Ersatzmethoden zum Tierversuch mit eigner Forschung zu fördern und weiterzuentwickeln.
Stefano Angiari
Innovative Biomarker und therapeutische Targets bei Multipler Sklerose
Trotz bedeutender Fortschritte in der Forschung stellt die Behandlung von Multipler Sklerose (MS) bei Patient*innen immer noch eine Herausforderung dar. Die Krankheitssymptome und der Krankheitsverlauf variieren stark von Person zu Person. Um den Patient*innen eine frühzeitigere Diagnose und gezieltere Therapien zu ermöglichen, müssen in der Forschung neue Krankheitsmarker (Biomarker) identifiziert werden. Außerdem werden neue therapeutische Targets für die Behandlung von MS benötigt, insbesondere für Krankheitsformen mit begrenzten Behandlungsmöglichkeiten, wie etwa die progressive MS.
Dank der Unterstützung durch das MEFOgraz Gesundheit3000-Förderprogramm werden in dieser Studie die Bedeutung von zwei Proteinen, Pyruvatkinase M1 (PKM1) und PKM2, für den Ausbruch, die Entwicklung und den Schweregrad von MS untersucht. Die Hypothese ist, dass das Protein PKM2 ein neuartiges therapeutisches Ziel sein könnte, um die schädliche Aktivität einer bestimmten Klasse von Immunzellen, den T-Lymphozyten oder T-Zellen, zu verringern, die bei der Entstehung von MS eine wichtige Rolle spielen. Des Weiteren gehen die Forscher*innen davon aus, dass die Mengen oder Konzentrationen von PKM1- und/oder PKM2-Proteinen im Blut, im Liquor und in den T-Zellen von MS-Patient*innen mit der Krankheitsaktivität und dem Schweregrad korrelieren könnten. Diese beiden Proteine könnten möglicherweise als neue klinische Biomarker für MS dienen.
Dieses Projekt ermöglicht es, eine adäquate Menge an vorläufigen Daten zu generieren, die als Ausgangspunkt für große multizentrische Studien dienen werden, um Ergebnisse in größeren Patientenkohorten zu bestätigen. Dies würde letztlich gezieltere und idealerweise wirksamere therapeutische Interventionen bei MS ermöglichen.
Stefano Angiari ist Immunologe mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen Neuroinflammation, Autoimmunität und Immunmetabolismus. Er erwarb 2007 einen Master-Abschluss in Molekularbiologie an der Universität Padua (Italien) und promovierte 2011 in Molekularbiologie und Pathologie an der Universität Verona (Italien). Anschließend setzte er seine wissenschaftliche Ausbildung in Italien und während eines vierjährigen Stipendiums am Trinity College Dublin (Irland) fort. Seit 2020 arbeitet er als Gruppenleiter und Tenure Track Assistant Professor am Lehrstuhl für Immunologie der Medizinischen Universität Graz. Seine Forschungsgruppe untersucht die molekularen und metabolischen Grundlagen von Autoimmun- und Entzündungskrankheiten mit dem Ziel, neue therapeutische Targets für solche lebensbedrohlichen Krankheiten zu identifizieren.
Marco Eigenfeld
MIP-Magic: Nanoträger für die selektive Behandlung von HER2+ Brustkrebs
Brustkrebs, insbesondere die HER2-positive (HER2+) Form, ist weltweit ein ernstes Gesundheitsproblem, da er oft aggressiv verläuft und mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden ist. Etwa 20 bis 25 % aller Brustkrebserkrankungen gehören zu dieser Kategorie. HER2+ Brustkrebs ist besonders schwer zu behandeln, da er häufig frühzeitig zum Tod führt und resistent gegenüber Therapien werden kann.
Diese Studie zielt darauf ab, einen neuartigen Nanoträger zu entwickeln, der gezielt gegen metastasierten HER2+ Brustkrebs eingesetzt werden kann. Dieser Träger kombiniert bewährte Krebsmedikamente wie Doxorubicin oder Paclitaxel mit magnetischen Nanopartikeln. Das Besondere daran ist, dass der Träger speziell so gestaltet ist, dass er sich bevorzugt an Krebszellen bindet, die das HER2-Protein, ein Oberflächenmerkmal des Krebses, tragen. Dies schützt gesunde Zellen und reduziert Nebenwirkungen.
Dadurch trägt das Förderprogramm zur erfolgreichen Durchführung der präzisen Freisetzung von Medikamenten direkt in die HER2+ Zellen bei, was die Behandlung gezielter und wirksamer macht. Diese Technologie könnte die Therapie von HER2+ Brustkrebs deutlich verbessern und zu besseren Behandlungsergebnissen führen.
2016 schloss Marco Eigenfeld sein Masterstudium am Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik in Kaiserslautern ab, wobei er sich auf die Immobilisierung von Biokatalysatoren auf Oberflächen spezialisierte. Nach seiner Promotion in Bioverfahrenstechnik im Jahr 2023 in München ist Marco Eigenfeld seit 2024 als aktives Forschungsmitglied am Lehrstuhl für Medizinische Chemie des Otto Loewi Forschungszentrums der Medizinischen Universität Graz tätig. In seiner Promotion beschäftigte er sich mit dem replikativen Zellalter von Hefezellpopulationen und der gezielten Trennung von jungen und alten Zellen.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen erweitert sich sein Forschungsgebiet an der Medizinischen Universität Graz auf vielfältige diagnostische Anwendungen. Ein Schwerpunkt dabei ist die Nutzung von Proteinen und weiteren Methoden zur Bindung von Oberflächenmarkern auf Zellen, wodurch diese für unterschiedlichste diagnostische und therapeutische Manipulationen zugänglich gemacht werden können.