Herzkreislauferkrankungen sind für die meisten Todesfälle in Österreich verantwortlich. Etwa jeder dritte Todesfall ist auf Herzkreislauferkrankungen zurückzuführen (34,7%). Umso wichtiger ist es, die Risikofaktoren dieser Erkrankungen und deren Mechanismen zu verstehen. Mit Lipidsenkern wie Statinen und neuen Medikamentengruppen wie PCSK9-Antikörpern kann das durch erhöhte Blutfettwerte bedingte Risiko für Herzkreislauferkrankungen deutlich reduziert werden. Dennoch besteht auch bei optimaler Lipidsenkertherapie ein erhebliches Restrisiko.
Ein internationales Team um Günther Silbernagel (Klinische Abteilung für Angiologie), Hubert Scharnagl, Winfried März (beide Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik) und Martin Rief (Klinische Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin 1) konnte kürzlich im European Heart Journal, der aktuell bestgereihten wissenschaftlichen Zeitschrift im Bereich der Herzkreislauferkrankungen (IF 39), interessante Erkenntnisse zum Restrisiko für Herzkreislauferkrankungen veröffentlichen. Die Arbeit wurde mit der „Best Paper Award 2023“ der Österreichischen Gesellschaft für Internistische Angiologie ausgezeichnet.
Abbau von Blutfetten
Neben dem bekannten, schädlichen low density Lipoprotein (LDL) Cholesterin werden auch in very low density Lipoproteinen (VLDL) erhebliche Mengen an Cholesterin transportiert. Im Lipidstoffwechsel nimmt beim enzymatischen Abbau der VLDL die Lipoprotein-Lipase eine wichtige Rolle ein, an deren Funktion Apolipoprotein C-II maßgeblich beteiligt ist. In der nun veröffentlichten Arbeit konnte gezeigt werden, dass sowohl zu niedrige als auch zu hohe Werte an zirkulierendem Apolipoprotein C-II mit einer verminderten Funktion der Lipoprotein-Lipase einhergehen. Zudem zeigte sich, dass zu niedrige und zu hohe Werte an Apolipoprotein C-II auch mit einem erhöhten Risiko für Herzkreislauferkrankungen zusammenhängen. Ein niedriges kardiovaskuläres Risiko könnte somit durch Apolipoprotein C-II Werte im mittleren Bereich erreicht werden. Die Studie basiert vor allem auf Daten von Patienten*innen, die im Rahmen der LURIC-Studie (Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health) in den Jahren 1997 und 2000 rekrutiert wurden. Diese Studie zählt mittlerweile seit zwei Jahrzehnten zu den größten und aussagekräftigsten Studien im Bereich der Herzkreislauferkrankungen und bietet eine breite Basis für exzellente Forschung.
Interdisziplinäre und Internationale Zusammenarbeit in der Lipidforschung
Wichtig für das Gelingen des Projektes waren interdisziplinäre und internationale Kooperationen. So hat Martin Rief (Klinische Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin 1) als Doktorand an der Klinischen Abteilung für Angiologie seine Dissertation zu einem verwandten Thema erfolgreich abgeschlossen und publiziert. Zudem besteht seit vielen Jahren eine enge Kooperation zwischen der Klinischen Abteilung für Angiologie und dem Klinischen Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik der Medizinischen Universität Graz. Auch über die Landesgrenzen hinaus konnte mit Forschern aus den Vereinigten Staaten und von Deutschen Universitäten aus Heidelberg, Mannheim und Freiburg erfolgreich zusammengearbeitet werden.
Lange Tradition der Forschung zu erhöhten Blutfettwerten an der Medizinischen Universität Graz
An der Medizinischen Universität Graz besteht eine langjährige Tradition zur Erforschung von Ursachen und Folgen erhöhter Blutfettwerte. Die aktuelle Veröffentlichung knüpft an diese lange Tradition, die durch Gerhard Kostner mit geprägt wurde, an.
Steckbrief Günther Silbernagel:
Günther Silbernagel ist Facharzt für Innere Medizin und Angiologie sowie Experte für Atherosklerose-Forschung. Nach dem Studium an der Medizinischen Universität Graz und Stationen am Universitätsklinikum Tübingen, am Schweizer Herz- und Gefäßzentrum am Inselspital Bern und an der Charité Berlin ist er nun in Klinik, Forschung und Lehre an der Klinischen Abteilung für Angiologie der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz tätig.