Feuerwerk, gutes Essen, ein paar Getränke und ein paar gute Vorsätze fürs neue Jahr. Das gehört für viele zum gelungenen Jahreswechsel einfach dazu. Doch gerade diese Vorsätze schaffen es oft nicht über die ersten Jännerwochen hinaus. Wie schafft man es, den inneren Schweinehund zu überwinden? Machen Neujahrsvorsätze überhaupt Sinn? Diese Fragen beantwortet Jolana Wagner-Skacel, Professorin für Medizinische Psychologie, Psychosomatik und Psychotherapie an der Med Uni Graz.
Gute Vorsätze als Neujahrs-Tradition
Ein neues Jahr, ein neuer Lebensabschnitt: Gerade zum Jahreswechsel ergreifen viele Menschen die Möglichkeit, zum Teil radikale Änderung von heute auf morgen durchsetzen zu wollen. Mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport, gesünder Essen, ein paar überschüssige Kilos loswerden: Die Liste an „Vorsatz-Klassikern“ ist lang. Von Erfolg gekrönt sind diese Vorhaben aber selten. Doch woran liegt es, dass die guten Vorsätze den Jänner meist nicht überleben? Oft sind die Ziele, die sich viele stecken, zu hoch.
„Menschen machen sich zu gerne zu Knechten ihrer Ich-Ideale. Dies stellt uns nicht nur vor große Herausforderungen, sondern führt schnell dazu, dass man sich unmotiviert fühlt, da die gewünschte Veränderung nicht schnell genug von statten geht. Wir sind frei und doch nicht frei, unsere Gewohnheiten halten uns gefangen in Mustern, Bequemlichkeiten und Strukturen die es zu überwinden gilt. Aber wie? Wir schaffen unser eigenes kleines Gefängnis durch die Weise wie wir begehren, wünschen und leben. Aus dieser inneren Knechtschaft herauszukommen und sich von Zwängen zu befreien die uns in unserem Denken, unseren Wünschen, unseren Leidenschaften bestimmen, stellt uns vor eine große aber sinnvolle Aufgabe“, erklärt Jolana Wagner-Skacel wie uns alte Gewohnheiten zurückhalten können. „Die Gewohnheit ist beides: einerseits befreiend, weil ermächtigend aber auch knechtend. Ohne Gewohnheit sind wir zu nichts in der Lage. Deshalb ist es wesentlich, Gewohnheiten zu reflektieren, um neue Handlungsmöglichkeiten zu gewinnen und Freiheitsspielräume zu eröffnen. Wichtig ist eine Kultur der Selbstsorge zu entdecken, die nicht auf Anpassung, sondern auf freie Lebensgestaltung zielt“, fährt sie fort.
Für den Erfolg ist es meist besser, sich kleine, tägliche, ritualisierbare und erreichbare Ziele zu setzen. Ein paar Kilo weniger, ein paar Stunden Sport mehr in der Woche, ein paar Seiten eines lang ersehnten Werkes lesen sind meist bessere Grundsteine für langfristigen Erfolg. Aber wie beginnen wir?
Notwendige Visionen: Bin ich wirklich bereit für Veränderungen?
Ist man überhaupt bereit für Veränderung? Diese Frage sollte die Grundlage der Entscheidung für eine weitreichende Umstellung des Lebensstils sein. Wer nur wegen des Datums eine umfassende Veränderung vornehmen will, ohne körperlich oder seelisch darauf vorbereitet zu sein, programmiert das Scheitern praktisch vor. Gerade bei größeren Projekten wie zum Beispiel intensiven Abnehmprogrammen oder der Rauchentwöhnung ist es ratsam, einen*eine Arzt*Ärztin zu konsultieren, um sicher zu gehen, dass alles in einem gesunden Rahmen abläuft.
Ohne konkrete Zielsetzung tun sich viele Menschen mit der Motivation auf Dauer schwer. Psychologisch ist das Ziel fünf Kilo abzunehmen auf Dauer motivierender als nur die Vorgabe „Ich will Gewicht verlieren“. Auch klassische Vorsätze wie „Ich will gesünder leben“ fallen in diese Kategorie. Fällt unter gesünder Leben Ernährung? Sport? Beides? Lässt sich das Ziel überhaupt erreichen? Ein konkretes Ziel, das in einem realistischen Zeitraum erreicht werden kann, ist für die meisten hilfreicher.
Das Erfolgsrezept: Vorstellbare, konkrete und erreichbare Ziele setzen
Das Erfolgsrezept für den gelungen Neujahrsvorsatz ist: Setzen Sie sich ein konkretes und erreichbares Ziel, das Sie motiviert. Für die Aufrechterhaltung der Motivation ist es sehr wichtig, dass man sich das positive Gefühl und das Ziel ganz genau vorstellt. Das wird dabei helfen unangenehme Aufgaben, die inzwischen liegen, leichter bewältigen zu können.
Man muss sich nur bewusst werden, dass der Alltag uns bald wieder fest im Griff haben wird und dass wir den Zauber des Neuen und das Gefühl, das wir jetzt haben, schnell vergessen sein wird - ohne unsere große Erinnerungshilfe „Weihnachten und Neujahr“.
Löst die Erinnerungshilfe zudem nur eine konkrete Handlung aus, kann überhaupt nichts schief gehen. Klappt es trotzdem nicht und man vergisst darauf oder hat keine Zeit es zu erledigen, ist sogar das Teil der Umsetzung. Wir sind an all unsere Handlungsabläufe, die wir jetzt aktuell gut und lange eingeübt haben (mögen sie gut oder schlecht sein), gewöhnt und jede Umstellung dieser Routine kostet Energie. Der Neujahrsvorsatz ist daher weniger dazu geeignet umfassende Umstellungen im Lebensstil ab dem 1. Jänner erfolgreich umzusetzen, er eignet sich aber gut dafür, den ersten Schritt darzustellen.
Haben Sie Geduld und handeln Sie gemeinsam
Gemeinsam ist es leichter Ziele durchzusetzen und neue Handlungsroutinen und Verhaltensweisen in den Alltag einzubauen um Freiheitsräume zu eröffnen. Gemeinsame Erfahrungen machen es uns leichter wahren Richtungswechsel zu gestalten. Das soziale, gemeinsame Lernen dient uns sozusagen als ein Katalysator.
Steckbrief: Jolana Wagner-Skacel
Jolana Wagner-Skacel wurde 1972 in Tschechien geboren, von wo sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder 1981 nach Österreich geflohen ist. Sie studierte und promovierte Medizin in Graz und war bis 2001 als Turnusärztin im Bereich Chirurgie und innere Medizin tätig. 2022 hat sie sich im Fach Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie habilitiert. An der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Med Uni Graz, leitet Jolana Wagner-Skacel die Spezialambulanz für Psychosomatik in der Gastroenterologie und Hepatologie, die Spezialambulanz für Psychokardiologie und fungierte bis zu ihrer Berufung als Professorin als erste Stellvertreterin der Klinischen Abteilung für Medizinische Psychologie, Psychosomatik und Psychotherapie.