Die Volksmedizin der Insel Java kennt „Brucea javanica“ schon lange und setzt die Pflanze als Heilmittel gegen Malaria und entzündliche Darmerkrankungen ein. Dass der Wirkstoff, der aus dem strauchartigen Gewächs gewonnen wird, auch eine besonders aggressive Form von Krebs behandeln kann, hat sich auf Java bisher noch nicht herumgesprochen – diese Erkenntnis ist an der Med Uni Graz zu Tage getreten.
Genauer gesagt an der Klinischen Abteilung für Hämatologie, wo sich der Biologe Alexander Deutsch mit Lymphomen, also Tumoren des Lymphgewebes beschäftigt. „Wir testen Substanzen, die das Wachstum von Krebszellen hemmen. Bei Brucea javanica sind wir auf einen Wirkstoff gestoßen, der besonders effektiv auf hochaggressive Unterformen dieser Krebsart reagiert“, sagt Alexander Deutsch, der auf erfolgreiche Versuche in der Petrischale verweisen kann.
Um den Wirkstoff im Menschen effektiv freizusetzen braucht es freilich noch mehr: Eine Art „Trägerrakete“, die den Wirkstoff an jene Stellen des Körpers bringt, die vom Krebs befallen sind. „Das ist wichtig, weil der Wirkstoff auch gesunde Zellen schädigt. Wenn man ihn aber gezielt nur zum Tumorgewebe leiten kann, entfaltet er dort seine volle Leistungsfähigkeit“, sagt Alexander Deutsch. Beim gemeinsamen Klettern kam er mit seinem Med Uni Graz-Kollegen Sebastian Schwaminger ins Gespräch, der als Chemiker am Lehrstuhl für Medizinische Chemie forscht. Dort entwickelt Sebastian Schwaminger magnetische Kleinstpartikel, die gezielt genutzt werden können, um Wirkstoffe an einen bestimmten Ort zu bringen – quasi ein Liefersystem für Medikamente innerhalb des menschlichen Körpers.
„Bei unserem Gespräch waren uns die Synergieeffekte sofort klar: Auf der einen Seite ein perfekt entwickelter Wirkstoff, auf der anderen Seite ein System, um ihn am gewünschten Wirkort freizusetzen“, sagt Sebastian Schwaminger. Bei den ersten gemeinsamen Versuchen zeigte sich zudem, dass mit Hilfe der Kleinstpartikel der Zelltod der Krebszellen noch besser ausgelöst werden konnte. Daraufhin meldete die Med Uni Graz ein Patent auf die kombinierte biologisch-chemische Methode an. Sebastian Schwaminger und Alexander Deutsch arbeiten mit Doktorandin Marta Szmyra-Polomka nun daran, sie weiter zu verfeinern und schlussendlich auf den Markt zu bringen.
Das Dreierteam liebäugelt mit der Idee, ein Start-up zu gründen und Forschungsgelder zu lukrieren. Die Entwicklung einer neuen Krebstherapie, die „MagnoCure“ getauft wird, benötigt neben Geld auch Zeit und Arbeitskräfte. „Wir rechnen damit, in drei Jahren erste klinische Studien mit Patient*innen zu starten“, sagt Alexander Deutsch. Entgegen kommt dem Vorhaben, dass es für ähnliche „Liefersysteme“ schon Zulassungen gegeben hat. Der Wirkstoff hingegen muss noch durch die langwierigen behördlichen Verfahren navigiert werden – mit unbekanntem Ausgang.
Wie er durch den Körper navigiert, ist hingegen schon klar: Den Forscher*innen ist es gelungen, Eisenoxidpartikel in der Größe von bis zu 20 Nanometern mit Antikörpern auszustatten, die sich gezielt an die Krebszellen des Lymphoms binden können. „Das Lymphom kann das Lymphsystem über den ganzen Körper hinweg befallen, man kann sich das als flüssigen Tumor vorstellen. Das macht es so schwierig, ihn gezielt mit Wirkstoffen zu erreichen, ohne dass in gesunden Körperregionen Nebenwirkungen auftreten“, sagt Alexander Deutsch. Die speziellen Antikörper sorgen aber dafür, dass die mit Wirkstoff versehenen Nanopartikel aus Eisen nur bei dem erkrankten Gewebe andocken und dort ihre Wirkung entfalten.
Weil die Eisenoxidpartikel auch auf Magnetfelder reagieren und damit gezielt im Körper gelenkt werden können, das Forschungsteam schon an weitere Einsatzgebiete dieser Technologie. Sie könnte etwa dazu beitragen, Lymphome im Körper mittels bildgebender Verfahren besser darzustellen – und damit die Diagnostik zu erleichtern.
Textnachweis: Kleine Zeitung