Bei der Behandlung von Krebs stehen die behandelnden Ärzt*innen und Patient*innen oft vor der Frage, wie radikal man behandeln muss. Besonders wichtig werden diese Überlegungen, wenn es um die chirurgische Entfernung von möglicherweise betroffenen Organen oder Geweben geht, da das Risiko von Komplikationen und Folgeproblemen mit dem Ausmaß der Behandlung bzw. der Operation steigt. Besonders wiegt diese Abwägung bei Gebärmutterhalskrebs/Zervixkarzinom. Eine internationale Studie, an der auch die Med Uni Graz beteiligt war, hat nun untersucht, ob eine radikale Hysterektomie (Wertheim-Operation), also die erweiterte Entfernung der Gebärmutter und umliegender Strukturen, für die Behandlung von kleineren Tumoren notwendig ist oder ob eine einfache Gebärmutterentfernung/Hysterektomie genügen würde. Die Ergebnisse wurden im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Gebärmutterhalskrebs und seine Folgen
Gebärmutterhalskrebs bezeichnet eine bösartige Veränderung von Zellen am Gebärmutterhals (Zervix). Fast alle dieser Tumoren sind eine Folge einer Infektion mit HPV (humanes Papillomavirus), wobei es mittlerweile dank einer Impfung einen guten Schutz dagegen gibt.
Heute werden Zervixkarzinome durch regelmäßige Screening-/Vorsorgeuntersuchungen wie den PAP-Abstrich oft rechtzeitig erkannt und können daher früh effektiv therapiert bzw. geheilt werden. Der Umfang der Operation ist abhängig vom Stadium der Erkrankung. Die Frage, die nun international untersucht wurde, ist, ob kleinere Zervixkarzinome mit einer einfachen Gebärmutterentfernung behandelt werden könnten bzw. ob eine erweiterte/radikale Hysterektomie für diese Tumoren wirklich notwendig ist.
Studie im New England Journal of Medicine
Eine internationale Studie, an der auch die Klinische Abteilung für Gynäkologie der Med Uni Graz und andere österreichische Zentren beteiligt waren, hat nun untersucht, ob es bei kleineren Zervixkarzinomen notwendig ist, mehr Gewebe zu entfernen, oder ob eine einfache Hysterektomie reicht. Es wurden 700 Patientinnen untersucht, die entweder eine radikale/erweiterte oder eine einfache Hysterektomie erhalten haben. Analysiert wurden neben dem Wiederauftreten von Krebs auch die direkten Folgen der Operation.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass in den untersuchten Fällen die radikale Hysterektomie gegenüber der einfachen Hysterektomie keinen Überlebensvorteil hat, einfach gesagt: nicht notwendig ist. Erwartungsgemäß gab es bei der radikalen Hysterektomie mehr Komplikationen während und nach der OP. Das bedeutet für Frauen mit frühen Zervixkarzinomen eine wesentlich einfachere und kürzere Operation ohne Bauchschnitt mit einem Krankenhausaufenthalt von oft nur ein bis zwei Tagen und weniger Komplikationen und Folgeproblemen.
Steckbrief Karl Tamussino:
Karl Tamussino ist Leiter der Klinischen Abteilung für Gynäkologie der Medizinischen Universität Graz. Hier forscht er unter anderem in den Gebieten der Gynäkologie sowie der Krebsforschung und Onkologie.