Verwirrtheit, Wahrnehmungsstörungen, Unruhe – dies sind typische Symptome, die ein Delir ausmachen können. In der Frühphase nach einem Schlaganfall kommt es bei 15 bis 25 Prozent aller Patient*innen zu diesem Zustand. Sowohl für die Patient*innen als auch für die behandelnden Pfleger*innen und Ärzt*innen ist das Delir eine große Herausforderung. Mehrere Gesellschaften haben, basierend auf aktueller Evidenz, ein Positionspapier verfasst, das Empfehlungen zu Diagnostik, Prävention und Behandlung von Schlaganfallpatient*innen mit Delir beinhaltet. Ein solches Positionspapier für das Delir ist ein internationales Novum, was durch die Publikation in der nationalen neurologischen Fachzeitschrift „neurologisch“ sowie im internationalen Journal „Therapeutic Advances in Neurological Disorders“ (TAND) unterstrichen wurde. Markus Kneihsl von der Universitätsklinik für Neurologie an der Med Uni Graz war führend an der Erarbeitung des Positionspapiers beteiligt.
Wann kommt das Delir?
„Das Delir ist ein Zustand, der aufgrund einer Vielzahl von unterschiedlichen zugrunde liegenden Triggern entstehen kann. Dazu gehören Stoffwechselstörungen, Fieber, Drogen(-entzug) oder Trauma. Auch jede akute Hirnerkrankung ist ein potenzieller Auslöser, was die hohe Prävalenz bei Patient*innen mit akutem Schlaganfall erklärt“, führt Markus Kneihsl aus. Zwei Neurotransmitter – Acetylcholin und Dopamin – spielen bei der Entstehung des Delirs eine wesentliche Rolle, wobei die genauen Vorgänge, die dahinterstecken, noch nicht vollständig geklärt sind. Menschen in fortgeschrittenem Alter, bereits bestehende Demenz und Infektionen spielen eine große Rolle als Risikofaktoren.
Das Positionspapier, das die neuen Vorschläge enthält, wurde von der Österreichischen Schlaganfallgesellschaft (ÖGSF) in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN), der Österreichischen Gesellschaft für Neurorehabilitation (ÖGNR) und der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) erarbeitet.
Prävention und Früherkennung im Fokus
Wie bei vielen Erkrankungsbildern erscheint auch beim Delir die Prävention als erfolgversprechendste Methode, daher kommt ihr besonders große Bedeutung zu. So ist aus Studien mit geriatrischen Patient*innen im Krankenhaus bekannt, dass vielseitige Präventionskonzepte zu einem Rückgang von deliranten Zustandsbildern um bis zu 30 Prozent führten. Das Positionspapier der ÖGSF widmet diesem Bereich daher große Aufmerksamkeit und beschreibt pflegerisch-ärztliche Multikomponenten-Bundles, die zu einer Reduktion der Delirrate bei Schlaganfallpatient*innen führen sollen.
„Diese nicht-medikamentösen Konzepte sind auch Therapie der Wahl bei bereits bestehendem (mildem) Delir, weshalb der frühen Diagnostik eine hohe Bedeutung zukommt“, führt Markus Kneihsl aus. Da bisherige Delir-Screening-Tools bei Schlaganfallpatient*innen Schwächen aufweisen, liegt aktuell in der Gruppe um Markus Kneihsl ein Forschungsschwerpunkt auf der Entwicklung eines schlaganfallspezifischen Delir-Screening-Instruments.
Komplexe Behandlung
Besteht trotz der beschriebenen nicht-medikamentösen Maßnahmen Verdacht auf Selbst- oder Fremdgefährdung, ist der Einsatz von Arzneien zur Behandlung des Delirs gerechtfertigt. Die zugrunde liegende Evidenz ist jedoch gering, weshalb das Positionspapier pragmatische praxisbezogene Empfehlungen zur pharmakologischen Behandlungsstrategie aufzeigt.
Die Folgen des Delirs bei Schlaganfallpatient*innen
Patient*innen, die infolge eines Schlaganfalls an einem Delir leiden, weisen eine schlechtere Prognose auf. So haben Studien bei Schlaganfallpatient*innen mit Delir über einen längeren Zeitraum kognitive Einschränkungen und ein höheres Risiko für bleibende funktionelle Defizite aufgezeigt. Ziel ist daher, durch eine Optimierung von Prävention und frühzeitiger Behandlung das Outcome nach einem Schlaganfall in dieser speziellen Patient*innengruppe zu verbessern.