Kinder mit Maske - Alessandro Bioscioli/adobe.stock.com

COVID-19: Kinder sind anders

Wie häufig zeigen Kinder mit einer Coronavirus-Infektion Symptome? Und welche Symptome zeigen sie? Wie lange halten diese an? Gibt es „Long COVID“ bei Kindern? Wie belastet sind Eltern und Kinder durch eine kindliche Coronavirus-Infektion?
All diese Fragen soll eine groß angelegte Studie beantworten, welche seit dem Frühjahr 2021 in einer Kooperation zwischen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), der Medizinischen Universität Graz (Med Uni Graz) und der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) durchgeführt wird. Nun können die ersten Zwischenergebnisse von 755 Kindern bis 14 Jahren präsentiert werden.

Da Patienten*innen-Studien meist von Universitätskliniken durchgeführt werden, untersuchten bisherige Studien zu Infektionen mit SARS-Coronavirus 2 bei Kindern hauptsächlich Patient*innen, die ein Krankenhaus aufgesucht haben. Die Mehrheit der Kinder, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, zeigt aber nur milde Symptome und benötigt eher selten eine stationäre Betreuung. „Wir wollten ganz bewusst auch die Kinder zu unserer Studie einladen, die nicht im Krankenhaus behandelt wurden, um ein umfassenderes Bild der Erkrankung in dieser Altersgruppe zu erhalten“, sagt Volker Strenger, Kinderinfektiologe an der Medizinischen Universität Graz und Studienkoordinator der ÖGKJ.

Um ein verlässliches Bild während der Pandemieperiode von März bis November 2020 zu erlangen, wurde eine repräsentative Stichprobe mit ausreichender Größe (n=1.271) aus der Gesamtanzahl der 0-14-jährigen Infizierten gezogen und deren Familien zu einer Umfrage eingeladen, welche online oder durch Telefon-Interviews erfolgte.
Neben spezifischen Krankheitssymptomen der akuten Erkrankung wurde auch die psychosoziale Belastung der Kinder und deren Familien durch die Erkrankung sowie durch die nicht pharmakologischen Kontrollmaßnahmen wie „Lockdown“ und Schulschließungen erfragt.

Die Zwischenauswertung von 755 Kindern im Alter von 0 bis 14 Jahren zeigt, dass bei 25% der Fälle Beschwerden der Grund für eine PCR-Testung auf SARS-CoV-2 waren. „Im Verlauf der Infektion entwickelten 60% der SARS-CoV-2 positiv getesteten Kinder klinische Symptome einer akuten COVID-19 Erkrankung. Knapp 7% wurden bei einem Arzt oder einer Ärztin vorstellig und 2,4% wurden in einem Krankenhaus aufgenommen“, berichtet Daniela Schmid, Infektionsepidemiologin und Studienkoordinatorin der AGES. Die 1- bis 5-jährigen wurden häufiger stationär aufgenommen als 6- 14-jährigen Kinder. „Dies muss nicht unbedingt bedeuten, dass die Erkrankung in dieser Altersgruppe häufiger schwer verläuft, da kleine Kinder häufig auch zur Beobachtung aufgenommen werden oder um andere Diagnosen wie eine bakterielle Sepsis (Anm.: Blutvergiftung) auszuschließen“, berichtet Strenger aus dem klinischen Alltag. Die <1-Jährigen präsentierten sich meist mit milden Atemwegs- Symptomen (Husten und Schnupfen) und Fieber, die 1-5-Jährigen hauptsächlich mit Fieber und bei den die 10-14-Jährigen traten deutlich häufiger Kopfschmerzen (bei ca. einem Drittel) sowie eine Beeinträchtigung von Geruchs- und Geschmackssinns (in knapp 20%) auf als bei jüngeren Kindern. Kurzatmigkeit wurde bei 1 von 20 Kindern beobachtet.

Länger als vier Wochen nach der Infektion wurden bei 11% der Kinder Symptome beobachtet, welche als Folge der Infektion interpretiert werden können („Long COVID“), wobei ältere Kinder (10-14- Jährige) mit 15,5% häufiger als jüngere Kinder betroffen waren. Als häufigstes „Long COVID“- Symptom wurde vermehrte Müdigkeit (4,2%) beobachtet, gefolgt von der Beeinträchtigung von Geruchs- und Geschmackssinns (insgesamt ca. 3%, <1% bei Kindern unter 10 Jahren, ca. 5% bei 10- 14-Jährigen) und Kurzatmigkeit (2,1%).
Bei 6,2% der Befragten wurden auch nach mehr als drei Monaten Symptome beobachtet, am häufigsten vermehrte Müdigkeit, Kopfschmerzen sowie Beeinträchtigung von Geruchs- und Geschmackssinns (mit jeweils ca. 2% der Befragten). Bei unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Konzentrationsschwäche kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass andere Ursachen als die SARS-CoV-2 Infektion zugrunde gelegen sind (wie z.B. Isolation im Rahmen von
 
Schulschließungen und anderen Lock-Down-Maßnahmen). „Somit kann die hier erhobene Häufigkeit von „Long COVID“ überschätzt werden“, gibt Volker Strenger zu bedenken.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie ist die psychische Belastung der Familien. Für 63% der befragten Eltern bzw. Erziehungsberechtigten wurde die Schließung von Schulen und Betreuungseinrichtungen als belastender empfunden als die Infektion des Kindes.
„Die Vervollständigung der Befragung der gesamten Studienpopulation sowie weitere, umfassende Analysen werden in den nächsten Wochen weitere Erkenntnisse liefern“, gibt Daniela Schmid einen Ausblick.

Kontakt

Assoz.-Prof. PD Dr.
Volker Strenger 
Studienleiter (ÖGKJ)
AG Leiter Infektiologie, Med Uni Graz