Den möglichen Zusammenhang zwischen verschiedenen Blutgruppen und der Wahrscheinlichkeit einer COVID-19 Infektion untersuchen Wissenschafter*innen der Med Uni Graz aktuell an der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin. Erste Forschungsergebnisse bestätigen vergleichbare Studien aus China und Europa, wonach Menschen mit der Blutgruppe O seltener an COVID-19 erkranken, als Menschen mit den Blutgruppen A, B oder AB. Nun soll der Mechanismus erforscht werden, der dieser Beobachtung zu Grunde liegt.
COVID-19: Bestimmt die Blutgruppe das Erkrankungsrisiko?
Weltweit wird aktuell an den Ursachen geforscht, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 begünstigen bzw. den Krankheitsverlauf von COVID-19 beeinflussen. Wie Studienergebnisse aus China und einigen europäischen Ländern zeigen, scheint hier die Blutgruppe ABO eine Rolle zu spielen.
Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sind ringförmige Zellen, die Sauerstoff und Kohlendioxid durch die Blutbahnen tragen. Die "Hülle" der roten Blutkörperchen nennt sich "Membran". In dieser Membran stecken viele unterschiedliche Kohlenhydrate (Zucker) und Eiweiße. Diese verleihen den roten Blutkörperchen eine bestimmte Oberflächenstruktur, sie werden auch "Antigene" genannt. Die "Blutgruppen-Kohlenhydrate" A und B sind ebenfalls solche Antigene. Für die ABO-Blutgruppe unterscheidet man die Eigenschaft A, B, AB und O (Null). Menschen mit der Blutgruppe "O" haben keines dieser genannten Blutgruppenantigene auf der Oberfläche ihrer roten Blutkörperchen. Bei Menschen mit der Blutgruppe "AB" sind beide Kohlenhydrate (A und B) in der Erythrozytenmembran enthalten. Bei Blutgruppe "A" ist nur das Antigen "A" vorhanden, bei der Blutgruppe "B" nur das Antigen "B".
Blutkörperchen an Zellaufnahme von Pathogenen beteiligt
Es ist bekannt, dass die Zucker-Strukturen, wie sie im ABO Blutgruppensystem an der Zelloberfläche der roten Blutkörperchen, aber auch in Geweben der Atmungsorgane und des Gastrointestinaltraktes ausgeprägt sind, nicht nur bei der Blutgruppen Erkennung von Antikörpern, sondern auch bei der Erkennung von Mikroorganismen eine Rolle spielen. „Pathogene, wie Bakterien oder Viren, können dabei selektiv an Blutgruppenstrukturen binden und die Besiedelung des betroffenen Gewebes, oder die Aufnahme in die Zellen beeinflussen“, erklärt die Studienleitern Eva Maria Matzhold, Molekularbiologin an der Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, Med Uni Graz. „In unserer Studie untersuchen wir, ob die ABO Blutgruppeneigenschaften einen möglichen weiteren Risikofaktor für die Infektion und die Erkrankung an COVID-19 darstellen können“, ergänzt Transfusionsmediziner Thomas Wagner. In den ersten vorgestellten Forschungsergebnissen konnte bereits gezeigt werden, dass ein Zusammenhang zwischen der Blutgruppe und einer Infektion mit SARS-CoV-2 nachweisbar ist. Damit können frühe Hinweise einer Studie aus China und einer genomweiten Assoziationsstudie (Europäische GWAS COVID-19 Forschungsgruppe) bestätigt werden.
Blutgruppe O mit niedrigerem Erkrankungsrisiko verbunden
Die Studie an der Med Uni Graz ist als retrospektive Fall-Kontroll-Studie mit insgesamt 399 SARS-CoV-2 positiv getesteten Patient*innen aufgebaut, die infolge einer COVID-19 Erkrankung in stationärer Behandlung waren. „Als Vergleichskontrolle für die ‚normale‘ Blutgruppenverteilung in der Steiermark dienen die VollblutspenderInnen (n=250.298) des Blutspendedienstes (ÖRK Landesverband Steiermark)“, beschreibt Thomas Wagner den Aufbau der Studie. Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team innerhalb der Med Uni Graz/KAGes und finanziell gefördert durch die Stadt Graz sowie die Österreichische Gesellschaft für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin (ÖGBT) umgesetzt.
„Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Menschen mit der Blutgruppe O eine statistisch signifikant geringere Wahrscheinlichkeit haben, an COVID-19 zu erkranken, als Menschen mit anderen ABO Phänotypen (Blutgruppe A, B oder AB)“, berichten die Forscher*innen. Die Blutgruppe AB hingegen wurde bei infizierten und an COVID-19 erkrankten Menschen signifikant häufiger festgestellt, im Vergleich zur Häufigkeit des Vorkommens in der gesunden, steirischen Bevölkerung (Blutspenderkollektiv des Blutspendedienstes des ÖRK). Der Schweregrad der COVID-19 Erkrankung bleibt allerdings von der ABO Blutgruppe unbeeinflusst. Das bedeutet, dass die Erkrankung bei Menschen mit Blutgruppe O nicht leichter verläuft als bei Menschen mit Blutgruppe AB. Eine ABO Blutgruppenbestimmung sollte aktuell also nicht als prognostischer Marker für den Verlauf von COVID-19 herangezogen werden.
Weitere Untersuchungen nehmen den Pathomechanismus ins Visier
„Es gilt nun, den Mechanismus, der hierbei eine Rolle spielt, genau zu erforschen“. Auch andere Blutgruppensysteme werden in die Untersuchungen mit einbezogen“, blicken Eva Maria Matzhold und Thomas Wagner in die Zukunft.
Weitere Informationen und Kontakt
Mag.a rer.nat. Dr.in scient.med. Eva Maria Matzhold
Univ.-Prof. Mag.iur. Dr.med. Thomas Wagner
Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin
Medizinische Universität Graz
Tel.: +43 316 385 83067
eva.matzhold(at)medunigraz.at
thomas.wagner(at)medunigraz.at