Brustkrebs

Brustkrebs-Therapie: Studie setzt weltweite Standards

Die österreichische Studiengruppe ABCSG hat weltweit erstmals die optimale Dauer einer langjährigen Hormontherapie bei der Behandlung von postmenopausalem Brustkrebs in einer breitangelegten klinischen Studie untersucht. ABCSG 16 / S.A.L.S.A. stand unter der Leitung der österreichischen Brustkrebsexpert*innen Michael Gnant, Marija Balic, Richard Greil, Christian Marth und Christian Singer sowie weiteren Spezialist*innen der teilnehmenden österreichischen Zentren. Michael Gnant, Comprehensive Cancer Center, Medizinische Universität Wien, Studieninitiator und Präsident der ABCSG: „Österreichweit haben rund 75 Zentren und knapp 3.500 Frauen an der Studie teilgenommen. Das ist eine großartige Leistung und ich bedanke mich bei allen Frauen, Ärzt*innen und dem gesamten medizinischen Personal für die wertvolle Unterstützung. Gemeinsam ist es uns gelungen, zu zeigen, dass eine optimale Therapie dem Grundsatz – So viel als nötig, so wenig als möglich – folgen sollte.“


Hochrangige Publikation im New England Journal of Medicine

Die ABCSG 16 / S.A.L.S.A. Studie wurde von 2004 bis 2017 durchgeführt und endete im Juni 2020. Die Ergebnisse wurden am 29. Juli 2021 im weltweit renommiertesten medizinischen Fachjournal New England Journal of Medicine unter dem Titel „Duration of Adjuvant Aromatase-Inhibitor Therapy in Postmenopausal Breast Cancer“ veröffentlicht. Mit der Publikation der Ergebnisse werden in Zukunft die internationalen Standards in der Behandlung dieser Erkrankung neu definiert. Christian Marth, Leiter der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck und Vizepräsident der ABCSG, freut sich daher sehr über die internationale wissenschaftliche Anerkennung: „Die ABCSG hat mit der vorliegenden Studie weltweit neue Standards in der Brustkrebstherapie gesetzt. Die Anerkennung dieser Leistung durch das renommierte New England Journal of Medicine ist eine große Ehre und macht uns sehr stolz. Und es ist ein Beweis dafür, dass auch ein kleines Land wie Österreich durch zielgerichtete interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Champions League mitspielen kann. Diese Ergebnisse belegen einmal mehr, dass die Betreuung an Zentren und Teilnahme an Studien die beste Langzeitprognose bietet“.


Weltweit häufigste Krebsart bei Frauen

Die internationale Bedeutung der Studie zeigt ein Blick auf die Patientinnen-Zahlen: Ende 2020 gab es weltweit rund 7,8 Millionen Frauen mit der Diagnose Brustkrebs, bei keiner anderen Krebsart waren es mehr. Marija Balic, Klinische Abteilung für Onkologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Leiterin Brustzentrum-CCC Graz, Medizinische Universität Graz, und Vizepräsidentin der ABCSG: „Auch in Österreich ist das Mammakarzinom mit rund 5.500 Ersterkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Die größte Gruppe stellen dabei die sogenannten hormonrezeptorpositiven Mammakarzinome mit etwa 70 Prozent dar, wobei vor allem das Luminal AMammakarzinom besonders häufig nach der Menopause auftritt. Trotz signifikanter Ergebnisverbesserungen in der Behandlung bleibt das Risiko für ein Krankheitsrezidiv auf unbestimmte Zeit bestehen, wobei mehr als 50 Prozent der Rezidive nach den ersten fünf Jahren auftreten. Mit der längeren Dauer der Therapie steigt auch das Risiko knochenassoziierter Nebenwirkungen. Dank unserer Studie können wir unsere Brustkrebspatientinnen mit hormonrezeptor-positiver Erkrankung nun noch gezielter behandeln.“


Sieben Jahre Hormontherapie bringen das beste Ergebnis

In der prospektiven Phase-III-Studie ABCSG 16 / S.A.L.S.A. erhielten postmenopausale Patientinnen mit frühem hormonrezeptor-positivem Brustkrebs eine zusätzliche zwei- bzw. fünfjährige erweiterte Anastrozol-Therapie mit dem Ziel, deren Wirksamkeit zu überprüfen. Das krankheitsfreie Überleben war dabei der primäre Endpunkt, sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben, die Zeit bis zum Auftreten eines kontralateralen Brustkrebses, die Zeit bis zum Auftreten eines zweiten Primärkarzinoms und die Rate der klinischen Knochenbrüche. Michael Gnant: „Mit der umfangreichen und vor allem auch lange nachbeobachteten Patientengruppe konnten wir eindeutig zeigen, dass postmenopausale Patientinnen mit hormonrezeptor-positivem Brustkrebs mit durchschnittlichem Risiko nicht von einer verlängerten adjuvanten Anti-Hormontherapie nur mit Anastrozol über eine Gesamtbehandlungsdauer von sieben Jahren hinaus profitieren.“

Christian Singer, Leiter des Brustgesundheitszentrums an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien am AKH und Vorstandsmitglied der ABCSG, hebt die praktischen Auswirkungen der Studie hervor: „Die Ergebnisse unserer Brustkrebs-Studie werden eine optimale Therapie für Millionen von Frauen weltweit ermöglichen. Die ABCSG hat mit ihr den klinischen Nachweis erbracht, dass eine Behandlungsdauer von sieben Jahren das beste Ergebnis bringt – ein wichtiger Schritt für eine optimale Therapie mit maximaler individueller Anpassung im Rahmen verlässlicher Guidelines.“


Internationale Standards werden neu definiert

Richard Greil von der III. Medizinische Universitätsklinik Salzburg, Onkologisches Zentrum, Leiter des Salzburg Cancer Research Institutes und des Cancer Clusters Salzburg, und Vizepräsident der ABCSG: „Die (Krebs)forschung Österreichs ist im internationalen Vergleich durch eine Reihe struktureller Schwächen gekennzeichnet, und dies sowohl im basiswissenschaftlich und translationalen Bereich an der Schnittstelle zwischen Laborforschung und klinischen Studien, als auch im klinischen Forschungsfeld. Diese Schwächen, wie etwa das völlige Fehlen öffentlicher Finanzierungsunterstützung für klinische Studien,sind nur zum Teil durch Innovationskraft, Geschwindigkeit und hohe Motivationslage kompensierbar. Daher freut es uns umso mehr, dass die Exzellenz unserer klinischen Brustkrebsforschung nun von internationalen Experten anerkannt und bestätigt wurde. Auf Basis der Studienergebnisse der ABCSG 16 / S.A.L.S.A. wird es nicht nur in Österreich, sondern weltweit neue Guidelines für die Brustkrebs-Therapie geben und hoffentlich auch die öffentliche Haltung über die Bedeutung von klinischen Studien positiv beeinflussen.“


ABCSG (Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group)

Seit über 30 Jahren führt Österreichs größte akademische Studiengruppe Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) unabhängig klinische Studien zum Mammakarzinom und kolorektalen Karzinom sowie zum Pankreaskarzinom durch. Die Ergebnisse finden international größte wissenschaftliche Anerkennung und haben maßgeblich dazu beigetragen, die Heilungs- und Überlebenschancen der Patient*innen zu verbessern. Allein in Österreich arbeitet die ABCSG mit zahlreichen Zentren und hunderten Prüfärzt*innen zusammen, weltweit gesehen sind es bei internationalen Kooperationen mehrere Tausend. Bislang nahmen mehr als 29.000 Patient*innen an klinischen Studien der ABCSG teil.

Textnachweis: Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group

Kontakt

Assoz.-Prof.in PDin Dr.in
Marija Balic 
Klinische Abteilung für Onkologie
T: +43 316 385 80556

Kontakt

Dr.in
Elena Kinz 
Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG)
T: +43 1 408 92 30 23