Stoffwechsel, Entgiftung, Verdauung, Blutgerinnung und noch vieles mehr – die Leber als größte Drüse des Körpers ist an vielen wichtigen Prozessen beteiligt, die uns (Über-)Leben erst möglich machen. Zum Welthepatitistag am 28. Juli haben wir mit Vanessa Stadlbauer-Köllner von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Med Uni Graz gesprochen. Sie erklärt, was das „Powerhouse“ des Körpers kann, wie man der Leber etwas Gutes tut und wie man merkt, dass das Organ Hilfe braucht.
Die Leber im Überblick
Die Leber ist ein etwa zwei Kilogramm schweres Organ, das im rechten Oberbauch liegt. Sie ist die größte Drüse des Körpers und übernimmt in vielen verschiedenen Prozessen eine wichtige Rolle – vor allem bei der Verarbeitung von Nährstoffen und im Stoffwechsel. Alles, was der Körper über den Darm aufnimmt – seien es Nährstoffe, die wir essen, oder Substanzen, die von Darmbakterien produziert werden –, muss erst einmal durch die Leber geschleust werden. Dort werden Nährstoffe verstoffwechselt, Gifte, wenn möglich, neutralisiert, Stoffwechselhormone, Entzündungsmediatoren und Blutgerinnungsfaktoren produziert. Kurz gesagt: Die Leber ist die „Chefchemikerin“ des Körpers und zentrale Schaltstelle für viele immens wichtige Vorgänge in unserem Körper. Zudem ist die Leber ein Organ, das viel aushält: Die Leber kann sich nach Operationen fast vollständig regenerieren und sie hält auch vergleichsweise viele Schädigungen aus. Doch auch ein starkes Organ wie die Leber kann an seine Grenzen stoßen.
Wenn die Leber leidet
Herauszufinden, dass mit der Leber etwas nicht stimmt, ist gar nicht so einfach. „Die Leber leidet still. Im Inneren der Leber gibt es keine Nerven. Wenn die Leber wehtut, heißt das, dass schon ganz schön viel passiert ist“, erklärt Vanessa Stadlbauer-Köllner. Eine sich langsam entwickelnde, chronische Lebererkrankung spüren viele Menschen lange nicht. Oft fallen den Betroffenen erst im Rückblick recht unspezifische Symptome wie ein Schwinden der Energie oder Juckreiz auf.
Wie die Leber fit bleibt
„Die Leber hat es am liebsten, wenn sie nicht zu viel arbeiten muss“, fasst Vanessa Stadlbauer-Köllner eine wichtige Grundlage für mehr Lebergesundheit zusammen. Einige Prozesse in der Leber schädigen sie selbst, wie zum Beispiel die Verarbeitung von Alkohol: So wird im ersten Prozess der Alkoholverarbeitung das Ethanol zu Acetaldehyd verarbeitet, das die Leber erst recht zusätzlich schädigt. „Die Leber mag es nicht, durch Nährstoffe oder Arzneistoffe überlastet zu werden. Dazu gehören Zucker, Fette und auch (pflanzliche) Arzneistoffe, welche die Leber auf Dauer durch Überlastung schädigen können.“ Das heißt: Ein Verzicht auf Alkohol und andere Gifte, eine gesunde Ernährung ohne zu viel Zucker und Fett und Arzneimittel nur dann, wenn nötig, können der Leber viel Gutes tun.
Wie gefährlich ist Alkohol? Oder anders gefragt: Wie viel Alkohol darf man gefahrlos trinken?
Alkohol und sein Abbauprodukt Azetaldehyd sind immer giftig für den menschlichen Körper. Daher gibt es aus Sicht der Leber keine ungiftige Menge an Alkohol. Bei ansonsten völlig gesunden Menschen geht man davon aus, dass 10 Gramm pro Tag für gesunde Frauen und 20 Gramm pro Tag für gesunde Männer nur ein geringes Risiko für Folgeschäden haben, das sind für Frauen zum Beispiel 0,3 Liter Bier oder 1/8 Liter Wein. Menschen mit Lebererkrankungen sollen gar keinen Alkohol trinken. Aber auch Rauchen ist ungesund für die Leber. Neue Studien zeigen, dass Zigarettenrauch ein wichtiger Faktor für die Entwicklung von Leberfibrose – eine Verhärtung des Lebergewebes – ist. Aber nicht alle Genussmittel sind schlecht für die Leber, Kaffee kann gerne getrunken werden, ab drei bis vier Tassen pro Tag sinkt das Risiko für chronische Lebererkrankungen.
Welthepatitistag: Wie gefährlich ist die Leberentzündung?
Die Leber kann sich aus vielen Gründen entzünden: Einer davon ist die Entzündung durch übertragbare Viren. Der Einfachheit halber hat man die häufigsten Formen dieser Erkrankungen mit den Buchstaben A, B, C etc. durchkategorisiert, sie sind aber ganz unterschiedlich. Bei Hepatitis A findet eine Ansteckung meist über kontaminierte Nahrungsmittel statt. Das führt zu einer heftigen und akuten Leberentzündung, die aber in den meisten Fällen von selbst abheilt. „Hepatitis B und Hepatitis C sind die gefürchteten chronischen Virus-Hepatitiden, die zu einer Leberzirrhose führen können. Hepatitis C können wir heutzutage gut heilen, während es bei Hepatitis B nur eine Behandlung zur Unterdrückung der Virenaktivität gibt, die aber auch sehr effektiv ist“, erklärt Vanessa Stadlbauer-Köllner die verschiedenen Varianten der gefährlichen Leberentzündung. Gegen Hepatitis A und Hepatitis B kann und soll man sich mit einer Impfung schützen.
Forschung an der Med Uni Graz
„Mein Forschungsgebiet im Bereich der Lebererkrankungen sind vor allem die chronischen Lebererkrankungen. Ich beschäftige mich schon lange damit, welche Arten von Komplikationen Lebererkrankungen hervorrufen können und wie man diese chronischen Lebererkrankungen und ihre Komplikationen vorhersagen und verhindern kann“, beschreibt Vanessa Stadlbauer-Köllner ihr Forschungsfeld. Dazu gehört die Forschung an Biomarkern oder am Immunsystem, im Speziellen bestimmte weiße Blutkörperchen namens neutrophile Granulozyten. So hat sich in ihrer Forschung gezeigt, dass diese Blutkörperchen bei einer Leberzirrhose beeinträchtigt sind und es so zu vermehrten Infektionen bei Betroffenen kommt. Als Ursache der Beeinträchtigung konnten die Hepatitis-C-Infektion, aber auch Bestandteile von Darmbakterien und Stoffwechselprodukte der Bakterien gefunden werden, was zu neuen therapeutischen Ansätzen führte. So konnte die Arbeitsgruppe von Vanessa Stadlbauer-Köllner zeigen, dass die Immunfunktion durch Beeinflussung der Darmbakterien verbessert werden kann.
Steckbrief: Vanessa Stadlbauer-Köllner
Vanessa Stadlbauer-Köllner studierte in Graz Medizin und schloss das Studium 2002 sub auspiciis praesidentis rei publicae ab. Sie ist Fachärztin für innere Medizin und Gastroenterologie und Hepatologie. Außerdem ist sie lokale Transplantationsbeauftragte des ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen). Aufgrund ihres Interesses an der Forschung verbrachte sie zwei Jahre am University College London als Erwin-Schrödinger-Fellow. In Graz baute sie die Arbeitsgruppen Transplantation Research und Translationale Mikrobiommodulation auf und wurde 2024 auf die Professur für Translationale Mikrobiomforschung und Hepatologie berufen. 2021 absolvierte sie das Masterstudium Health Care and Hospital Management. Sie beschäftigt sich in der Klinik und in der Forschung mit chronischen Lebererkrankungen und deren Komplikationen, dem Darmmikrobiom und Biomarkerforschung, Präzisionsmedizin und Nachhaltigkeit in der Medizin und Forschung. Sie leitet am Zentrum für Biomarkerforschung in der Medizin (CBmed) den Bereich Translationale Präzisionsmedizin.