Der April ist der „Autism Awareness Month“, der 2. April der Weltautismus-Tag. In Österreich leben rund 87.000 Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Rund um diese Besonderheit der neuronalen Entwicklung ranken sich viele Mythen, Vorurteile und Missverständnisse, weshalb eine Aufklärung in der Gesellschaft rund um dieses Thema besonders wichtig erscheint. Wir haben aus diesem Grund mit Marie-Therese Weiser-Fuchs gesprochen, Wissenschafterin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Medizinischen Universität Graz und selbst Asperger-Autistin.
Wie äußert sich Autismus?
„Mir ist es wichtig zu sagen, dass es keine Krankheit ist, sondern eine Art, wie man ist, eine Art des Seins. Es ist eine von der Norm abweichende Art zu denken, zu fühlen und auch zu handeln“, erklärt Marie-Therese Weiser-Fuchs zu Beginn des Gespräches über Autismus. Wie sich Autismus äußert, ist bei jeder betroffenen Person unterschiedlich, oft sind Probleme bei der Kommunikation und in sozialen Interaktionen, sprachliche Defizite oder repetitive und restriktive Handlungsweisen (Stims) zu beobachten. Hinzu kommen häufig die Überempfindlichkeit gegen sensorische Reize sowie Inselbegabungen und Spezialinteressen, die autistische Menschen ausmachen.
Das Leben am Spektrum
Basierend auf Erfahrungen mit Autismus und aktueller Forschung wendet man sich von einer strikten Einteilung und Klassifizierung ab. Die verschiedenen Formen, die Autismus annehmen kann, fasst man unter dem Begriff „Autismus-Spektrum-Störung“ zusammen. Jede autistische Person hat ihr eigenes „Set“ an Eigenschaften und Besonderheiten, wie zum Beispiel die bereits oben beschriebenen sozialen oder sprachlichen Probleme. Dabei gilt es auch festzuhalten, dass dieses Spektrum an Symptomen keineswegs linear betrachtet werden sollte, von „wenig“ bis „sehr“ autistisch. Man sollte sich dieses Spektrum als Torte vorstellen, von der jede autistische Person ihr eigenes Stück an Eigenschaften besitzt.
Jeder hat sein Päckchen zu tragen
Welche Probleme autistische Menschen im Alltag haben, lässt sich nur schwer verallgemeinern, da wie bereits erwähnt jede autistische und neurodivergente Person ihr eigenes Set an Besonderheiten aufweist. Die häufigsten Probleme treten im sozialen Umfeld auf. „Ganz allgemein gibt es oft Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen neurotypischen und neurodivergenten Personen. Es kann schnell zu Missverständnissen kommen, zu Schwierigkeiten, Sarkasmus oder Ironie zu verstehen“, spricht Marie-Therese Weiser-Fuchs über Stolpersteine, die im Alltag auftreten können. Eine eindeutige Kommunikation, die möglichst wenig Interpretationsspielraum lässt, ist dabei für autistische Menschen sehr wichtig, wie auch klare Strukturen und Handlungsabläufe im Allgemeinen. Denn der schlimmste Albtraum vieler autistischer Menschen sind unerwartete oder spontane Abweichungen und Veränderungen in diversen Situationen und Lebenslagen.
Unterstützung am Arbeitsplatz
Marie-Therese Weiser-Fuchs schätzt sich glücklich über ihre Kolleg*innen im Labor. „Ich werde akzeptiert, ich habe einen ruhigen Arbeitsplatz, ich kann mir meine Zeit selbst einteilen, ich kann meine Arbeit nach meinen Wünschen gestalten“, fasst die Forscherin die Vorzüge der Arbeit in ihrem Team an der Med Uni Graz zusammen. „Man wird nicht benachteiligt oder als anders wahrgenommen und ich muss mich nicht verstellen“, fährt sie fort. Und genau so sollte es auch sein, Autismus sollte als eine neurodiverse Art des Denkens und Fühlens betrachtet werden, die genauso ihre Berechtigung in der Gesellschaft hat, ohne dass der Anspruch gestellt wird, Denken und Fühlen zwanghaft an die breit akzeptierte Norm anzupassen.
Weitere Informationen:
Marie-Therese Weiser-Fuchs BSc, MSc
Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Medizinische Universität Graz
T: +43 316 385 26115
E: marie.fuchs(at)medunigraz.at
Steckbrief: Marie-Therese Weiser-Fuchs
Marie-Therese Weiser-Fuchs isoliert und charakterisiert im Rahmen ihrer Dissertation spezielle Endothelzellen (endothelial colony forming cells) aus dem Blut schwangerer Frauen. Dabei versucht sie Zusammenhänge zwischen dem mütterlichen metabolischen Zustand und der Funktion dieser Zellen zu erforschen. Ein weiteres, damit teilweise verbundenes Interessensgebiet liegt in der Erforschung von Humanmilch-Oligosacchariden und deren Rolle im mütterlichen Metabolismus während der Schwangerschaft.Dabei liegt der Fokus derzeit auf der Erforschung der Regulation des Glukosemetabolismus in der Schwangerschaft unter Berücksichtigung des Einflusses von Humanmilch-Oligosacchariden.