Heute eröffneten Justizministerin Alma Zadić, Frauenministerin Susanne Raab, Landesrätin Doris Kampus, Vizerektor der Med Uni Graz Alexander Rosenkranz und Institutsleiterin Sarah Heinze an der Medizinischen Universität Graz die "Gewaltambulanz der Modellregion Süd", das erste von der Österreichischen Bundesregierung umgesetzte Pilotprojekt in diesem Bereich. Mit dem Start dieses Projekts wird ein bedeutender erster Schritt hin zum flächendeckenden Auf- und Ausbau von Gewaltambulanzen in ganz Österreich gemacht. Damit werden bundesweit niederschwellige Untersuchungsstellen für Gewaltbetroffene geschaffen, wo sich diese im geschützten Setting kostenfrei untersuchen lassen können, vorhandene Spuren gesichert und Verletzungen dokumentiert werden, um diese als Beweise für ein mögliches späteres Gerichtsverfahren zur Verfügung zu haben.
Gewaltambulanz an der Med Uni Graz
Im vergangenen Jahr wurden in Österreich 85.374 Gewaltdelikte zur Anzeige gebracht. Dies entspricht laut "Polizeilichen Anzeigenstatistik 2023" einer Steigerung um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es muss jedoch angenommen werden, dass die tatsächliche Anzahl an Gewalttaten deutlich höher liegt.
Die Gewaltambulanz der Med Uni Graz bietet kostenfreie klinisch-forensische Untersuchungen nach modernsten gerichtsmedizinischen Standards für Gewaltbetroffene jeden Alters und Geschlechts an, unabhängig von einer bereits erstatteten Anzeige oder dem Besitz einer E-Card. Diese Einrichtung trägt maßgeblich zum Erkennen von Gewalttaten und zur Aufklärung gewaltsamer Vorfälle bei und kann so gleichzeitig zum Schutz der Betroffenen vor weiteren potenziell schwerwiegenden Übergriffen beitragen.
Angebote der Gewaltambulanz
Neben der kostenfreien gerichtsmedizinischen Untersuchung, die eine gerichtsverwertbare Dokumentation von Verletzungen sowie die Sicherung von Spuren an Körper und Kleidung umfasst, erhalten die Betroffenen auch Informationen über weitere Unterstützungsmöglichkeiten. Dazu gehören Angebote zur weiterführenden Betreuung durch beispielsweise Opferhilfseinrichtungen sowie psychologische oder rechtliche Beratungsstellen. Die Ambulanz bietet zudem speziell für Ärzt*innen eine telefonische Beratung zu klinisch-forensischen Fragen an. In Fällen, in denen keine Anzeige erstattet wird, werden die erhobenen
Daten für einen Zeitraum von 10 Jahren gesichert und die gesammelten Spuren aufbewahrt, um sie bei Bedarf abrufen zu können. Darüber hinaus können Gutachten auf Anfrage von Staatsanwaltschaften und Gerichten über Sachverständigenbestellungen erstellt werden.
Mobile Ambulanz
Betroffene haben die Möglichkeit, die Gewaltambulanz direkt aufzusuchen, oder Gerichtsmediziner*innen werden von Spitalsambulanzen bzw. der Polizei hinzugezogen und kommen an den Ort, wo sich die Betroffenen gerade befinden. „Das von der WHO formulierte Ziel, dass Gewaltbetroffene nur einmal untersucht und befragt werden sollten, und dass man zu ihnen kommt, ist klar und verständlich. Stellen Sie sich vor, man wird nach einem Gewaltdelikt untersucht und befragt und dann sagt jemand: 'Sie müssen sich jetzt anziehen, dorthin fahren, wieder alles erzählen, sich ausziehen...' Neben der psychischen Unzumutbarkeit werden zudem Spuren verwischt und möglicherweise unbrauchbar ", erklärt Gerichtsmedizinerin Sarah Heinze und betont damit die Notwendigkeit, sowohl mobil als auch in der Ambulanz zu arbeiten.
Erreichbarkeit und Kontakt Gewaltambulanz
- Dienstag bis Donnerstag: 08.00 bis 16.00 Uhr
- Freitag 08.00 Uhr bis Montag 16.00 Uhr
- sowie an Feiertagen
Tel.: +43 664 84 38 241
https://gerichtsmedizin.medunigraz.at/gewaltambulanz
Justizministerin Alma Zadić: „Die Eröffnung der neuen Gewaltambulanz an der Medizinischen Universität Graz ist ein bedeutender Meilenstein für die Versorgung und Unterstützung von Gewaltbetroffenen in Österreich. Und sie ist ein erster wichtiger Schritt hin zum bundesweiten Ausbau von Gewaltambulanzen. In diesen niederschwelligen Untersuchungsstellen können sich Betroffene im geschützten Setting kostenfrei untersuchen und Verletzungen dokumentieren lassen. Diese stehen als Beweise für mögliche spätere Verfahren zur Verfügung. Das führt zu einer Steigerung der Verurteilungsquoten. Und durch die enge Zusammenarbeit mit Opferschutzeinrichtungen unterstützen wir Betroffene beim Ausstieg aus Gewaltbeziehungen und verhindern weitere Übergriffe.“
Frauenministerin Susanne Raab: „Der Kampf gegen Gewalt an Frauen hat für mich oberste Priorität. Daher haben wir in den letzten Jahren so viel wie noch nie in den Gewaltschutz investiert und dadurch Strukturen geschaffen. Mit der Einführung der Gewaltambulanzen, in denen Opfer von Gewalt betreut und Beweise der Tat gesichert werden, setzen wir als Regierung nun einen weiteren wichtigen Schritt im Kampf gegen Gewalt. Gewalttäter müssen so hart wie möglich bestraft werden. Deshalb braucht es die Sicherung von Beweisen nach der Gewalttat.“
Soziallandesrätin Doris Kampus: „Die neue Gewaltambulanz an der Medizinischen Universität Graz ist eine außerordentlich wichtige Maßnahme, um das Gewaltschutznetzwerk in der Steiermark weiter auszubauen. Ich freue mich sehr, dass wir dieses Projekt gemeinsam mit dem Bund umsetzen können. Als Land Steiermark leisten wir unseren Beitrag dazu, indem wir dieses Projekt regional ausbauen und Gewaltopfer in der gesamten Steiermark betreut werden können. Dazu sind wir gemeinsam mit der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. KAGes und der Med Uni Graz in der Planung, in einem ersten Schritt eine telemedizinisch unterstützte Ambulanz am Standort Leoben einzurichten. Weitere wichtige, aktuelle Gewaltschutzmaßnahmen des Landes Steiermark sind das neue steirische Hilfetelefon unter der Nummer 0800 20 44 22, die Errichtung von insgesamt 13 neuen Übergangswohnungen sowie eine Sensibilisierungskampagne von männlichen Jugendlichen und Männern. Gewaltschutz ist eines meiner wichtigsten politischen Anliegen, denn Gewalt ist niemals Privatsache. Sie geht es uns alle an.“
Vizerektor Alexander Rosenkranz: „Die Medizinische Universität Graz ist stolz darauf, das Pilotprojekt der ‚Gewaltambulanz der Modellregion Süd‘ starten zu können, dies gleichzeitig mit der Einrichtung eines Universitären Zentrums Gewaltschutz & Prävention. Dieses Universitäre Zentrum ist das Ergebnis der engen Zusammenarbeit der Med Uni Graz mit verschiedenen Fachdisziplinen am LKH-Universitätsklinikum Graz und Partner*innen der Justiz. Die gebündelte Expertise vor Ort ist von entscheidender Bedeutung für die Arbeit des Zentrums, das sich der Versorgung von Gewaltbetroffenen und der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Gewalt widmet. Durch diese Zusammenarbeit streben wir nicht nur die Verbesserung der Versorgung an, sondern auch eine Sensibilisierung für Gewaltopfer in breiten Schichten der medizinischen Berufe. Unser Ziel ist es, diese Themen auch in Lehre, Ausbildung und Forschung verstärkt zu integrieren, um eine umfassende Unterstützung für Gewaltopfer sicherzustellen und weiterhin Pionierarbeit auf diesem Gebiet zu leisten.“
Institutsleiterin Sarah Heinze: „Die Gewaltambulanz des Diagnostik- und Forschungsinstituts für Gerichtliche Medizin besteht bereits seit 2008. Sie ist ein wichtiger Baustein in der Versorgung von Gewaltbetroffenen und steht allen kostenfrei und niederschwellig zur Verfügung. Mit den neuen Räumlichkeiten, der Gründung des Universitären Zentrums für Gewaltschutz und Prävention und der Förderung durch Bund und Land ist nun der nächste Schritt des notwendigen Ausbaus, sowohl zeitlich als auch örtlich und unter Verwendung neuer Technologien möglich. In Zukunft können wir sowohl mehr gewaltbetroffene Menschen erreichen und ihnen gerichtsverwertbare klinisch-forensische Untersuchungen anbieten, als auch vermehrt verschiedene Berufsgruppen weiterbilden, um Gewalt zu erkennen. Gewalt geht uns alle an und nur, wenn wir darüber sprechen, sie aufdecken und gemeinsam handeln, helfen wir betroffenen Personen und können als Gemeinschaft präventiv wirken.“
Wissenschaftsminister Martin Polaschek: „Als Wissenschaftsminister freue ich mich, dass die Medizinische Universität Graz die durch den Bau des MED CAMPUS Graz geschaffene gute Basis für Lehre und Forschung auch für eine Vielzahl von gesellschaftlich wichtigen Themen nutzt. Dadurch kann auch ein Beitrag zur Realisierung des nunmehr gestarteten Pilotprojekts ‚Gewaltambulanz der Modellregion Süd‘ geleistet werden. Die Bereitstellung der räumlichen Infrastruktur am MED CAMPUS wird der Verbesserung der Versorgung von Gewaltbetroffenen und der Förderung von Sicherheit und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft maßgeblich dienen.“
Fotos: Helmut Lunghammer